„Wir müssen die Meinungsführerschaft erkämpft“

Buxtehuder / Stader Tageblatt Autor: Karsten Wisser

BUXTEHUDE. Diether Dehm war in dem von der Bundestagsfraktion finanzierten Regionalbüro der Linken in Buxtehude Stargast und ein bisschen auch Gastgeber beim Neujahrsempfang. Die 20 Gäste dankten dem singenden Provokateur mit Applaus.

Dann gab es einen echten Klassiker. „Monopoly“. Wie „Faust auf Faust,“ „1000 Mal berührt“ und „Was wollen wir trinken, sieben Tage lang“ stammt das Lied aus der Feder von Diether Dehm. Der Linken-Bundestagsabgeordnete brachte den Hit zum Schluss seiner kleinen Gesangseinlage  in der Bertha-von-Suttner-Allee.

Der Mann, der nach 33 Jahren in der SPD zur Linken und den Vorgängerorganisationen wechselte, steht am Sonnabend im Büro der Linken in Buxtehude und bringt erst zwei neu interpretierte Arbeiterlieder und dann den Klaus-Lage-Klassiker. Dehm ist im Berliner Politikbetrieb eine der schillernden, umstrittenen und interessanten Figuren. In den 1970ern wurde Dehm ein paar Jahre vom Ministerium für Staatssicherheit als „Inoffizieller Mitarbeiter“ geführt – ganz ohne sein Wissen, wie er beteuert – und hat für Willy Brandt Reden geschrieben.

Wer einmal den Namen in die Suchmaschinen des Internets eingibt, findet viele Sätze, mit denen der 68 Jahre alte Musiker, Musikproduzent und Politiker auf massive Kritik bis in seine eigene Partei stößt. „Natürlich mache ich das auch gelegentlich gezielt“, sagt Diether Dehm auf TAGEBLATT-Nachfrage. Das jüngste Beispiel in einer langen Serie: Er habe eine Studie aus dem US-amerikanischen Verteidigungsministerium zugespielt bekommen, in der die Aufgabe des Kampfes gegen den IS und eine Verstärkung des Kampfes gegen Russland gefordert werden. Er habe das öffentlich gemacht, im Bundestag dazu gesprochen und es habe keine öffentliche Resonanz gegeben. Das änderte sich in dem Augenblick, als Dehm im Rahmen eines Berliner Ostermarsches im April 2018 SPD-Außenminister Heiko Maas als „gut gestylten NATO-Strichjungen“ bezeichnete. „Meine Aufdeckung gegen das Pentagon hatte plötzlich Zigtausend Zugriffe“. Hintergrund der Äußerung war die Ausweisung russischer Diplomaten durch Maas als, wie dem findet, „viel zu voreilige Reaktion auf den Giftanschlag auf den Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter“.

Dehm hätte Putin nicht gewählt

„Ich hätte Putin nicht gewählt, sondern den Unternehmer, der Spitzenkandidat der kommunistischen Partei war“, sagt Dehm, der sich selbst als Marxist bezeichnet und aus der Mode gekommene Begriffe wie „Arbeiterklasse“ selbstverständlich nutzt.

Aber Diether Dehm auf seine Sprüche zu reduzieren, wäre falsch. Er hat eine sehr genaue Vorstellung von der Frage, wie die Partei „Die Linke“ bei bundesweiten Wahlen bessere Ergebnisse erzielen kann, und er sieht in seiner früheren politischen Heimat, der SPD, nicht den Hauptgegner. „Wir gewinnen zusammen oder wir verlieren zusammen“, sagt Dehm. „Immer über die Fehler der SPD zu reden, reicht nicht aus, um den Gesprächsbedarf mit der SPD zu klären“, sagt Dehm. „Wir müssen gemeinsam mit der SPD im öffentlichen Raum die Meinungsführerschaft erkämpfen.“ Wenn nur über das Schließen von Grenzen und Steuersenkungen geredet werde, würden AfD und FDP profitieren. „Wenn hingegen höhere Löhne, solidarische Rente  und Schutz vor Alters-Diskriminierung die Diskussion und Meinungsführerschaft bestimmen, gewinnen Linke und SPD zusammen.“ Deshalb organisiert Diether Dehm auch eine gemeinsame Veranstaltung von SPD- und Linken-Fachpolitikern für diese Themen für den Juni in Hannover.

Ähnlich kompromisssuchend agiert er aktuell parteiintern. Dass er Sarah Wagenknecht für die Linken-Politikerin hält, die bei voller Unterstützung der Partei die größte Zugkraft besitzt, ist für ihn eindeutig. „Mit dem eigenen Personal schonend umzugehen, bedeutet nicht Unterwerfung. Wir sollten gegen uns selbst aber versöhnlicher sein und schärfer gegen Konzerne und Kriegstreiber austeilen“, sagt Dehm, der auch hinter dem steht, was Wagenknecht zur Flüchtlingsfrage sagt. „Wie sollen wir den Menschen erklären, dass wir gleichzeitig den Sozialstaat wieder aufbauen wollen und das System gleichzeitig ungeregelt öffnen wollen?“, sagt er. Er habe riesige Hochachtung vor den Menschen, die sich um Flüchtlinge kümmerten, „aber angesichts von weltweit 68 Millionen Menschen auf der Flucht und 840 Millionen Hungernden, löst das diese Probleme nicht, es mindert sie nur minimal. Dieses Problem können wir auf der Briefmarke Zentraleuropa auch nicht alleine lösen“. Neben Verbot von Rüstungsexporten ist sein Ansatz: „Lasst uns gezielt auch ältere und krankgemachte Frauen aus Indien oder Gambia nach Deutschland einladen, die hier Musterprozesse gegen Bayer-Monsanto führen“, so Dehm. Aus seiner Sicht sind solche Konzerne durch Gammelexporte von Geflügel, Gensaat samt prominentem Unkrautvernichter Glyphosat mit dafür verantwortlich, dass die Dritte Welt „siecht und wirtschaftlich nicht auf die Beine kommt“.

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