Für Freiheit und Menschenwürde: Organisator von Demo-Ausmaß beeindruckt – CDU doch dabei

Buxtehuder Tageblatt: Karsten Wisser

Sie haben die demokratischen Parteien aufgerüttelt und ein Zeichen gesetzt: Gut 2000 Menschen hatten sich in Buxtehude versammelt, um gegen extremistische Massenabschiebungsideen zu demonstrieren. Nicht nur die Innenministerin sprach bei der Demo.

Buxtehude. Die Teilnehmer an der Kundgebung kamen am Sonnabend aus der ganzen Region. Viele Menschen aus dem Landkreis Stade und dem Hamburger Süden sind dem Aufruf des Buxtehuder SPD-Manns Gerrit Steffens und der „Omas gegen Rechts“ gefolgt. Das Motto „Buxtehude steht auf – Für Freiheit und Menschenwürde“ hat funktioniert. Steffens hoffte bei seiner Anmeldung der Demonstration vor einer Woche auf 100 Teilnehmer. Als er die Veranstaltung eröffnete, konnte er das Ausmaß der Mobilisierung selbst kaum fassen. 2500 waren gekommen. „Das ist überwältigend“, sagte Gerrit Steffens. Harald Winter und der Internationale Chor aus Buxtehude sorgten mit drei musikalischen Einlagen dafür, dass die friedliche Veranstaltung eine fröhliche Grundstimmung behielt.

Innenministerin Behrens erinnert an dunkle Zeiten

„Buxtehude ist eine so schöne Stadt, das hat sie nicht verdient“, sagte Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) mit dem Hinweis auf die Buxtehuder Beteiligung am Geheimtreffen in Potsdam. „Hass und Hetze sind keine Meinungsäußerungen, sondern Straftatbestände“, sagte die Ministerin. „Wir hatten schon einmal schwärzeste Zeiten in Deutschland, wir hatten den Holocaust mit über sechs Millionen Juden“, so Behrens. Es habe eine Phase gegeben, in der Menschen aussortiert worden seien, das dürfe sich nicht wiederholen.

Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt kündigte an, dass die Kundgebung nur der Auftakt von vielen Aktionen sein soll. Der Buxtehuder Awo-Vorsitzende Andreas Gubernatis präsentierte eine Idee, wie das aussehen kann. Der Sozialdemokrat ist seit einer Woche dabei, Partner für ein Bündnis für Demokratie und Vielfalt zu suchen. Das soll dann auch in Absprache mit Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt zusammen mit dem neuen Stadtforum agieren. „Meine Idee ist, Bürger und Politik zusammenzubringen, um geeint und vor allem mit Struktur und Organisation diesem ekelhaften Rassismus und Faschismus sowie diesen Nazis entgegenzutreten“, sagte Gubernatis. Dazu habe er in den letzten Tagen gute Gespräche mit allen Demokraten geführt, so Gubernatis. Seine Aufforderung an die Menschenmenge, mit den Händen ein Herz zu formen, war einer der emotionalen Höhepunkte der Kundgebung.

Grüner Philipp Bravos kritisiert Politik für Rechtspopulismus

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens war auf Einladung der Landtagsabgeordneten Corinna Lange (SPD) in Buxtehude. „Als ich mich heute Morgen auf den Weg gemacht habe, dachte ich, wir schaffen vielleicht 500 Teilnehmer. Jetzt sind hier 2000, vielleicht sogar 3000. Das ist fantastisch“, sagte Abgeordnete aus Deinste. „Ich möchte, dass dieses Bild heute aus Buxtehude rausgeht und zeigt, dass wir keinen Bock auf Nazis haben“, so Corinna Lange.

Demo gegen Rechts Buxtehude

2500 Menschen demonstrieren in Buxtehude gegen die AfD und Abschiebungspläne

Das Recherchenetz Correctiv hatte unter dem Titel „Geheimplan für Deutschland“ die Pläne von Rechtsextremen, AfD- und Werteunion-Mitgliedern zur massenhaften Abschiebung von Menschen mit Migrationshintergrund bis hin zu deutschen Staatsbürgern öffentlich gemacht. Das TAGEBLATT fand heraus, dass der AfD-Kreisverbandsvorsitzende Maik Julitz aus Buxtehude an der Potsdamer Konferenz beteiligt war.

Buxtehudes Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt (parteilos) forderte die Menschen auf, „egal wo euch Extremismus begegnet, geht darauf ein, sprecht mit den Leuten. Zeigt klare Kante gegen Rechtsextremismus. Mir geht das Herz auf, euch hier alle zu sehen“, „Buxtehude ist bunt, Buxtehude ist vielfältig.“

Größte Demonstration seit 2019 in Buxtehude

Buxtehude sei eine Hochburg für Toleranz und freiheitsliebende Menschen. Die über 2000 Teilnehmer standen rund um den Has- und Igel-Brunnen, in der Straße Am Geestor, auf der Ritterstraße und weit in die Lange Straße hinein. Viele kamen mit der S-Bahn, Start Unterelbe oder der EVB nach Buxtehude. Es war die größte Demonstration seit 2019. Damals hatte „Fridays for Future“ eine vergleichbar große Menschenmenge auf die Straße gebracht.

Philipp Bravos (Grüne) warnte davor, dass die Politik oft mit falschen Bildern arbeiten würde und damit auch eine Mitschuld an der Situation trage. Er kritisierte CDU-Oppositionsführer Friedrich Merz, FDP-Finanzminister Christian Lindner und SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Rede. Scholz würde „Spiegel“-Titelbilder freigeben, auf denen er zur Abschiebung aufrufen würde. Man müsse sich gegen eine Politik des rechten Populismus, gegen eine Politik, die gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausspielten, gegen eine Politik, die sagen würde, Bürgergeld-Empfänger seien das Problem, einsetzen. Benjamin Koch-Böhnke (Die Linke) forderte ein Ende des Abbaus des Sozialstaates.

Nach Friedensgespräch: Die CDU überraschend dabei

Kurz vor der Kundgebung hatte auch noch die städtische CDU ihre Teilnahme an der Kundgebung angekündigt. 45 Minuten vor dem Start der Demonstration gab es ein klärendes Gespräch zwischen den Sprechern und Vorsitzenden von Grünen (Joachim Buttler), SPD (Christian Krüger) und CDU (Marcel Haberkorn) in der Bäckerei Schrader in der Altstadt. Der Streit um die zuerst verweigerte Teilnahme der Christdemokraten war in der Öffentlichkeit und selbst bei der CDU auf Unverständnis gestoßen. Die CDU wollte nicht mitmachen, obwohl sie inhaltlich voll hinter der einhelligen Verurteilung des Plans für Massenabschiebungen steht. Organisator Steffens hatte sie nicht im Vorfeld eingeladen, und die Werbung für die Kundgebung – eine hochgestreckte rote Faust vor dem Hintergrund der Altstadt – wollten die Christdemokraten auch nicht akzeptieren.

Große Wahlbeteiligung gegen Erstarken anti-demokratischer Kräfte

„Wir haben miteinander geredet und die Missverständnisse ausgeräumt“, sagte Marcel Haberkorn gegenüber dem TAGEBLATT. In Zukunft soll es als Konsequenz aus dem Streit eine Gruppe der Parteivorsitzenden in Buxtehude geben. „Wir müssen alle dafür sorgen, dass die Menschen demokratische Parteien wählen“, sagte Haberkorn während der Kundgebung. Er grenzte sich wie viele seiner Parteikollegen eindeutig von der AfD ab. Haberkorn forderte zudem die Menschen auf, zahlreich an der Europawahl in diesem Jahr teilzunehmen, um das Erstarken anti-demokratischer Kräfte zu verhindern. Marcel Haberkorn stellte aber auch klar, dass es in der Demokratie absolut in Ordnung sei, die regierende Ampel-Koalition für ihre Politik zu kritiseren.

Demokratie müsse erkämpft und erlernt werden, sagte Superintendent Martin Krarup als Vertreter der christlichen Kirchen in Buxtehude. Sie sei auch anstrengend, weil es manchmal langsamer und mühseliger, zu Ergebnissen komme. Krarup: „Aber es ist an der Zeit, die Demokratie wieder mehr wertzuschätzen und dafür zu kämpfen. Lassen Sie uns gemeinsam die Zukunft in Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit gestalten.“ Ist Altkloster noch zu retten? Wie die Politik bauliche Missstände verhindern will