Wie Drochterser Schüler die Landtagskandidaten erleben

Von Anping Richter ( Buxtehuder / Stader Tageblatt )

Sechs Landtagskandidaten haben sich auf Einladung der Elbmarschen-Schule in Drochtersen einer politischen Diskussion auf dem Podium gestellt. Danach hieß es Feuer frei für die Fragen der Schüler – und die hatten es in sich.

„Was halten Sie davon, das Wahlalter auf 16 Jahre abzusenken?“, möchte die 16-jährige Michelle Lührs wissen. Auf diese Frage vor einem Saal voller Schüler negativ zu antworten, ist sicher nicht populär. Trotzdem tun es zwei der sechs Landtagskandidaten für den Wahlkreis Stade 56, die auf der Bühne der Kulturscheune Drochtersen sitzen. Das Wahlrecht sei ein hohes Gut, begründet Melanie Rost-Reinecke (CDU). Es sei sinnvoll, eine gewisse Lebenserfahrung zu sammeln und bis zum 18. Geburtstag warten zu müssen, bevor es ausgeübt werden darf, zumindest jenseits der kommunalen Ebene. Sebastian Sieg (AfD) schließt sich ihr an.
Idee: Alters-Obergrenze für Wahlberechtigung

„Das sind auch die Parteien, die von alten Wählern besonders profitieren“, analysiert der 19-jährige Kai Buschung rückblickend. Jetzt hat er aber eine spannende Nachfrage: „Wie sieht es denn mit einer Altersgrenze nach oben aus?“ Es gebe doch genug Leute, die geistig irgendwann nicht mehr auf der Höhe sind. „Wir könnten da vom Vatikan lernen“, fügt Moderator Thomas Rosteck schmunzelnd hinzu, bevor er die Frage an die Kandidaten weitergibt. Bei der Papst-Wahl dürfen schließlich auch nur Kardinäle unter 80 Jahren mitmachen.

Kilian Würsig (FDP) findet die Frage „durchaus berechtigt“. „Ein Idiotentest“, merkt Sandra Deutschbein (Grüne) nachdenklich an. Würsig und sie hatten sich, ebenso wie Marlon Borchers (Linke) und Corinna Lange (SPD), zuvor für eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre ausgesprochen. Eine Alters-Obergrenze findet Corinna Lange aber schwierig. Melanie Rost-Reinecke und Sebastian Sieg lehnen sie klar ab.
Tipp einer Schülerin für den Kandidaten: Kaugummi raus

Es ist einer der wenigen Punkte, bei dem die Unterschiede zwischen den Parteien deutlich werden. „Wir erleben ein häufiges Phänomen in solchen Diskussionen: dass alle sich einig sind“, sagt Moderator Thomas Rosteck. Vielleicht ist das ein guter Tipp für die Kandidaten, die sich an diesem Vormittag zum ersten Mal in der Konstellation begegnen: Es könnte von Vorteil sein, das Profil zu schärfen.

„Ich hatte gedacht, dass die Unterschiede zwischen den Parteien stärker zutage treten“, sagt Michelle Lührs nach der Diskussion. Es sei aber hilfreich gewesen, die Kandidaten und ihre Positionen alle auf einmal zu erleben. Ihr Tipp für Sebastian Sieg: „Die ganze Zeit das Kaugummi im Mund zu haben, kommt nicht so professionell rüber.“

Auch der 15-jährige Leonard Wienke fand die Veranstaltung gut: „Ich weiß jetzt, wen ich wählen würde.“ Für ihn seien Jobs und Zukunft das wichtigste Thema. Direkt gefragt hatte er nach der Möglichkeit, durch Kameraüberwachung für mehr Sicherheit auf dem Schulweg und Schulhof zu sorgen. Doch das sehen alle Kandidaten kritisch. „Ich bin kein großer Freund von Big Brother“, sagte Melanie Rost-Reinecke. In Sachen Sicherheit auf dem Schulhof, so der allgemeine Tenor, sei die Schule der richtige Ansprechpartner und Zivilcourage ein gutes Mittel gegen Gewalt auf dem Schulweg, gerade im ländlichen Raum. Leonard fand das überzeugend.
Beim Stichwort Klimawandel scheiden sich die Geister

Beim Stichwort Klimawandel wurden die Unterschiede deutlicher. Dass es den Klimawandel gibt, räumte AfD-Mann Sebastian Sieg schon ein. Nur habe das Verhalten des Menschen nahezu keinen Einfluss darauf, und das Ziel der CO2-Neutralität schade der Wirtschaft. Marlon Borchers sieht das ganz anders: „Klimaschutz kann unsere Wirtschaft sogar retten.“ Durch die Investition in nachhaltige Energien und Technologien würden nachhaltig Arbeitsplätze geschaffen. Melanie Rost-Reinecke plädiert für mehr Windparks und Photovoltaik, Kilian Würsig will den Handel mit CO2-Zertifikaten auf EU-Ebene anschieben und sieht „Riesen-Potenzial“ in Offshore-Windparks und Flüssiggas-Terminals an den Küsten Niedersachsens. Die Flüssiggas-Terminals seien genauso schädlich für das Klima wie Kohlekraftwerke, sagt Sandra Deutschbein. Sie könnten höchstens für den Übergang nützlich sein – sofern „Wasserstoff-ready“. Corinna Lange sieht die LNG-Terminals als guten Weg für den Übergang zu grünem Wasserstoff.

Weshalb ihre Schule keine oder nur schlechte Corona-Tests bekomme, die eine hohe Fehlerquote aufweisen, wollte die 18-jährige Fiona Prevot wissen. Antwort: Auf den Test-Einkauf haben Politiker keinen Einfluss. Aber alle Kandidaten denken, dass die Gesellschaft über kurz oder lang lernen müsse, mit der Pandemie zu leben. Und sie denken, dass es in diesem Winter ohne Homeschooling gehen wird. Masken müssten dafür vielleicht in Kauf genommen werden.
Schüler in Sorge um erstarkenden Extremismus

Der 18-jährige Schüler Martin Lüdders macht sich Sorgen über erstarkenden Extremismus in Niedersachsen und wollte von den Kandidaten wissen, was sie dagegen tun wollen. Extremismus und Gewalt seien kategorisch abzulehnen und strafrechtlich zu verfolgen, antwortete Sebastian Sieg knapp. In der Öffentlichkeit werde immer stärker polarisiert und gegeneinander angegangen, sagte Kilian Würsig. Er plädiert dafür, miteinander im Gespräch zu bleiben, Faschismus und Antisemitismus aber klar zu bestrafen. „Extremismus ist immer schlecht, egal ob rechts oder links“, sagte Melanie Rost, was Marlon Borchers so nicht stehen lassen wollte: „Man kann Klimaaktivisten oder Linke nicht mit Faschisten gleichsetzen.“ Sandra Deutschbein, selbst Lehrerin an den BBS-Stade, plädiert dafür, demokratisches Bewusstsein und Sensibilität für das, was die Demokratie zum Kippen bringen könnte, schon in der Schule zu stärken. Politische Bildung, sagt auch Corinna Lange, sei das A und O. Die Elbmarschen-Schule ist da offenbar gut aufgestellt.