Rätsel um die Müll-Millionen: Politik will Aufklärung

Rätsel um die Müll-Millionen: Politik will Aufklärung

Karsten Wisser Buxtehuder/Stader Tageblatt

LANDKREIS. Das Rätsel der fehlenden Müll-Millionen wird in der ersten Sitzung des neuen Kreis-Abfallwirtschaftsausschusses das beherrschende Thema sein. Die Folgen werden Gebührenerhöhung und ein Millionen-Defizit sein. Der Ausschuss und damit verbunden ein eigenes Amt für das Thema sind wie berichtet auf Initiative von Landrat Michael Roesberg (parteilos) gegründet worden. Der Ausschuss tagt an diesem Donnerstag, 19. November, 8.30 Uhr, im großen Sitzungssaal im Kreishaus in Stade. Aufgrund des großen Arbeitspensums wird sich der neue Ausschuss außerdem am Donnerstag, 26. November, an gleicher Stelle und zur gleichen Uhrzeit noch einmal treffen. Der Ausschussgründung vorausgegangen waren massive Probleme in der internen und externen Kommunikation bei der Frage, welche Straßen in Zukunft mit kleineren Müllfahrzeugen angefahren werden und welche Bürger ihre Mülltonne zu Sammelstellen bringen müssen. Das beherrschende Thema der Premierensitzung zeigt, dass die Neuaufstellung der Kreisverwaltung richtig ist. Müllgebühren mehrere Jahre zu niedrig Wie berichtet wird der Landkreis Stade ein Loch im weitgehend gebührenfinanzierten Haushalt der Abfallwirtschaft durch Steuergelder stopfen müssen. Es geht um knapp sechs Millionen Euro, die von 2020 bis 2022 ausgeglichen werden müssen. Hinzu kommt eine Gebührenerhöhung von rund 30 Prozent für einen Standard-Haushalt mit vier Personen. Das sind rund 50 Euro im Jahr. Vereinfacht ausgedrückt, waren die Müllgebühren mehrere Jahre zu niedrig, weil die Kosten für den Sperrmüll in der Kalkulation nicht berücksichtig worden sind. Aufgrund einer falschen Entscheidung 2018 wäre es laut Fach-Juristen rechtlich angreifbar, diese wohl seit 2013 entstandenen Sperrmülldefizite komplett dem Gebührenzahler in Rechnung zu stellen. Deshalb muss der Haushalt der Abfallwirtschaft mit Steuergeldern gerettet werden. Für den Vorsitzenden der CDU-Kreistagsfraktion, Helmut Dammann-Tamke, ist dabei die Feststellung wichtig, dass durch die Probleme bei der Gebührenkalkulation dem Gebührenzahler in der Vergangenheit kein Schaden entstanden ist. „Die Menschen im Landkreis haben zu niedrige Müllgebühren gezahlt“, sagt er. Tatsächlich sind die Gebühren von 2014 bis 2019 um rund 50 Prozent gesunken. Das Ziel der Verwaltung, die Müllgebühren konstant zu halten und Schwankungen durch Rückstellungen auszugleichen, sei grundsätzlich richtig gewesen. „Wir werden uns in den kommenden Jahren auf stärkere Schwankungen bei den Müllgebühren einstellen müssen“, sagt der Landtagsabgeordnete aus Ohrensen. Fraktionen fordern Aufklärung Die SPD-Kreistagsfraktion stellt die Aufklärung in den Vordergrund. „Ich war extrem verwundert, als ich die Vorlage für den Ausschuss gelesen habe“, sagt der SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzende Björn Protze aus Stade. Es gebe nach wie vor keine Erklärung dafür, warum die knapp sechs Millionen Euro nicht rechtzeitig in die Gebührenkalkulation aufgenommen worden sind. Die SPD werde den Weg, das Defizit mit Steuergeldern zu bezahlen, trotzdem mittragen. „Es hat offensichtlich Fehler gegeben“, sagt Verena Wein-Wilke, Co-Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. „Wir müssen klären, wie das Defizit entstanden ist und wieso der Zeitpunkt einer fristgerechten Abrechnung im Gebührenhaushalt verpasst wurde“, sagt die Kommunalpolitikerin aus Horneburg. Der fehlende Betrag habe eine heftige Größenordnung. Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wählergemeinschaft, Uwe Arndt, befürchtet „strukturelle Probleme“ in der Kreisverwaltung. „Es ist mehr als bedenklich, wenn eine Summe in dieser Größenordnung nicht sauber abgedreht worden ist.“ Der Ahlerstedter Bürgermeister hat bei der Diskussion auch die Kreisumlage im Blick. Der Fehlbetrag beim Müll dämpft seine Erwartungen, dass es hier Verbesserungen zugunsten der Städte und Gemeinden geben wird. Sprecher vermisst Transparenz „Es fehlt die Erklärung für die Kosten“, sagt Peter Rolker, Sprecher der Gruppe FDP/Piraten. Die Sperrmüll-Mengen seien in den vergangenen Jahren kontinuierlich reduziert worden. Rolker vermisst nach wie vor Transparenz. „Ich erwarte eine brutalstmögliche Aufklärung, das alles ist ein großer Skandal“, sagt Benjamin Koch-Böhnke, Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion. Alle seien im negativsten Sinne überrascht worden. Die Verwaltung habe offenbar völlig die Kontrolle verloren. „Wo gearbeitet wird, passieren Fehler, man sollte mit der Verwaltung nicht zu hart ins Gericht gehen“, sagt Lars Seemann, Fraktionsvorsitzender der AfD-Abspaltung „Alternative für Stade“. Er bringt die Frage ins Spiel, ob die kommunalen Rückversicherer einen Teil der Kosten übernehmen könnten, wenn es um grobe Fahrlässigkeit ginge.