LNG-kritische Veranstaltung der Linken: Kriegen wir jetzt etwa Fracking-Gas?

Von Anping Richter ( Stader- Buxtehuder Tageblatt )

Stade soll ein schwimmendes LNG-Terminal bekommen. Dafür könnte der Rat am 12. Juni sein Einvernehmen erteilen. Doch mit der LNG-Technologie sind auch Risiken verbunden. Um die ging es jetzt bei einem Info-Abend im Rathaus.

Die Rammschläge sind in Bützfleth seit Januar zu hören: Der neue Energiehafen in Stade ist schon mitten im Bau. Hans Schmidt, der etwa 350 Meter vom Deich entfernt wohnt, findet die Geräuschkulisse noch erträglich. Er sei Schlimmeres gewohnt: Die Rammen arbeiten nur am Tag. Den Industriepark hört er auch nachts: „Es ist ein permanentes, dumpfes Rauschen. Wir können auch im Sommer nicht bei offenem Fenster schlafen.“

Er befürchtet, dass das noch schlimmer wird, wenn das schwimmende LNG-Terminal erst im Hafen festmacht und die Tanker dort andocken – dicke Pötte mit 345 Metern Länge und 12 Metern Tiefgang. Am anderen Ufer der Elbe, in Brunsbüttel, liegt bereits ein schwimmendes LNG-Terminal. Anwohner beschweren sich über Lärm- und Lichtbelästigung.

Stade soll Ende 2023 solch eine schwimmende Anlage, eine sogenannte FSRU (Floating Storage and Regasification Unit) bekommen, um das tiefgekühlte Flüssiggas regasifizieren und ins deutsche Netz einspeisen zu können. Noch läuft das Genehmigungsverfahren. Ein festes Land-Terminal soll bis 2027 entstehen.
Fossiles LNG – Brücke in die Zukunft oder Umweltsünde?

Eine politische Mehrheit möchte das LNG-Importterminal und die damit verbundenen Investitionen von mehr als einer Milliarde Euro. Die Stadt Stade erhofft sich, über diese fossile Brückentechnologie „zur Drehscheibe für flüssige Energieträger aus erneuerbaren Quellen – beispielsweise Wasserstoff – zu werden“, wie es auf ihrer Homepage heißt.

Doch es gibt andere Perspektiven. Die beleuchtete ein Fachmann am Mittwochabend bei einem Info-Abend, zu dem die Stader Linke-Fraktion eingeladen hatte: Der Referent Andy Gheorghiu ist freier Berater und Campaigner im Klima- und Umweltschutz und hat weltweit vor Ort zu LNG recherchiert. Kurz vor seinem Besuch in Stade war er auf Rügen, wo Pläne zum Bau eines LNG-Terminals auf starken Widerstand stoßen. Gheorghiu kennt auch die Exportseite der LNG-Lieferkette: Für ein Projekt mit der Deutschen Umwelthilfe und der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald ist er in die USA gereist und hat sich die Auswirkungen der LNG-Export-Terminals näher angesehen.
Menschen und Umwelt am anderen Ende der Lieferkette

Die Menschen dort bekommen sie täglich zu spüren. In Video-Interviews schilderten Betroffene aus Louisiana, wie die LNG-Industrie ihr Feuchtland-Paradies, in dem sich Reiher und Fische tummeln, verändert hat. Das Terminal von Venture Global hat Betriebsprobleme: Dem Umweltamt wurden von Januar bis Mai 2022 fünf Unfälle gemeldet und 91 Tage dokumentiert, an denen Gas abgefackelt werden musste und Schadstoffe in die Umwelt gelangten. Die Anwohner sorgen sich um die Gesundheit ihrer Kinder und um die Natur.

Weitere Terminals sind geplant. Methangas, aus dem LNG besteht, tritt auch bei der Förderung aus – besonders, wenn es durch Fracking gewonnen wird. Dieses Frackinggas habe im LNG-Export der USA einen hohen Anteil. Laut Gheorghiu und Bericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) wirkt sich Methan bis zu 108-fach stärker auf die Erderwärmung aus als CO2.
Fossiles Gas sei nur vorübergehende Lösung

Doch Deutschland und Stade werden beim LNG-Import auf die USA und damit auf Frackinggas angewiesen sein, sagt Gheorghiu. Die Begründung: Das fossile Gas soll nach dem Willen der Bundesregierung nur Brückentechnologie für wenige Jahre sein. Um die Klimaziele erreichen zu können, soll die Nutzung ab 2030 rapide zugunsten erneuerbarer Energien gedrosselt werden. Doch Katar will sehr langfristige Verträge schließen und kann das auch – zum Beispiel mit den Chinesen.

Gheorghiu geht außerdem – wie die EU-Kommission – davon aus, dass Deutschland mit dem rasanten Bau von LNG-Terminals Überkapazitäten erzeugt. Werden die derzeit vorgeschlagenen Vorhaben umgesetzt, würden bis 2030 mehr als doppelt so viele Emissionen erzeugt, wie es die Pläne der Regierung vorsehen, um das 1,5-Grad oder zumindest das 2-Grad-Ziel einhalten zu können. Um den Plan einzuhalten, würden die bisher gebauten Kapazitäten ausreichen, sagt Gheorghiu. Er fordert für jeden Neubau eine „gesunde Klimaschutz-Prüfung.“
Warum Ammoniak nicht zur Wasserstoffgewinnung geeignet ist

„Was können wir tun?“ fragte Udo Paschedag, einer der etwa 35 Besucher und Vorsitzender des Umweltverbands AUN (Arbeitsgemeinschaft Umweltplanung Niederelbe). Er gab die Antwort selbst: „Gegen eine emissionsschutzrechtliche Genehmigung klagen.“ Er geht davon aus, dass das dafür zuständige Gewerbeaufsichtsamt in Lüneburg diese erteilt.

Aber was ist mit wasserstoffbasierten Energieträgern wie Ammoniak, für die auch das Stader LNG-Terminal bald genutzt werden soll? Gheorghiu verweist auf hohe Energieverluste bei der Rückumwandlung von Ammoniak in Wasserstoff und die Frage der Wirtschaftlichkeit – der Betrieb einer schwimmenden LNG-Anlage koste 200.000 Euro pro Tag.
Wann im Stader Rathaus die Entscheidung fällt

Derweil verkündet der Stader LNG-Vorhabenträger HEH (Hanseatic Energy Hub), dass EnBW seine langfristige Kapazitätsbuchung für den LNG-Import auf sechs Milliarden Kubikmeter pro Jahr verdoppelt hat. EnBW wiederum verkündet, mit Venture Global in den USA einen langfristigen Vertrag geschlossen zu haben – dem Betreiber des Terminals in Louisiana, das Andy Gheorghiu besucht hat.

Über das Einvernehmen zur FSRU-Anlage beraten Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt und Ortsrat Bützfleth am Donnerstag, 8. Juni, ab 17 Uhr, öffentlich im Stader Rathaus. Der Rat entscheidet dann am 12. Juni.