Kreistag: Rassismus-Vorwürfe gegen Stader AfD-Fraktion & „Hässliche Fratze des Rassismus“- Stader Kreistag: Kritik am AfD-Antrag zum „Flüchtlingsstopp“

Karsten Wisser Buxtehuder / Stader Tageblatt & Jörg Dammann Neue Stader / Neue Buxtehuder

Kreistag: Rassismus-Vorwürfe gegen Stader AfD-Fraktion

Karsten Wisser Stader- / Buxtehuder Tageblatt

Rassismus und Rechtsbruch – zwei Anträge der AfD-Kreistagsfraktion hatten eine wortstarke Debatte im Kreistag zur Folge. Mehrfach wurden Abgeordnete zur Ordnung gerufen. Die Diskussion verdeutlichte auch, dass die AfD im Kreis politisch isoliert ist.

Eigentlich wollte die AfD ihre Position zum Thema Flüchtlingsaufnahme mit möglichst vielen Unterstützern im Zuschauerraum des großen Sitzungssaals im Stader Kreishaus untermauern. Die in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtete Partei hatte unter anderem in Stade-Haddorf mit Postwurfsendungen oder in den sozialen Netzwerken dafür geworben, dass der Landkreis Stade in Zukunft nur noch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen und für alle anderen „Migranten“ aus Kapazitätsgründen einen Aufnahmestopp beschließen möge.

Neben einem ehemaligen Kreistagsabgeordneten der AfD und einer ehemaligen Kreisvorsitzenden der Partei mobilisierte die Kampagne vier weitere Sympathisanten.
AfD-Kreistagsabgeordneten Julitz: „Deserteure und keine Flüchtlinge“

Aus Sicht des AfD-Kreistagsabgeordneten Maik Julitz sind alle Geflüchteten, die nicht aus Europa kommen, in der Regel „Wirtschaftsmigranten“, junge Männer muslimischen Glaubens, die zu 75 Prozent in die Sozialsysteme einwanderten. Julitz nannte sie „Deserteure und nicht Flüchtlinge“.

Die Reaktionen der anderen Parteien auf den Antrag und die Rede des AfD-Kreisverbandsvorsitzenden fielen deutlich aus. „Verwerflich und würdelos“ nannte Clemens Ultsch von Die Partei den AfD-Antrag. „Wir unterscheiden nicht nach guter Flüchtling, schlechter Flüchtling. Wir behandeln alle gleich“, sagte Ultsch. Benjamin Koch-Böhnke von der Linkspartei meinte, bei der AfD die „hässliche Fratze des Rassismus“ gesehen zu haben.
Fordert die AfD gezielt zum Rechtsbruch auf?

Der SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzende Björn Protze warf der AfD vor, durch ihre radikale Rhetorik auch Gewalt zu fördern. „Sie fordern zum Rechtsbruch auf“, sagte er mit Hinweis darauf, dass die Frage, welche und wie viele Flüchtlinge in den Landkreis Stade kommen, Bundes- und Ländersache sei. Ein entsprechender Kreistagsbeschluss wäre unwirksam. „Sie wollen Menschen in zwei Klassen aufteilen“, so Protze, „wir werden keine offenen rassistischen Anträge unterstützen.“

Bei der Diskussion im Kreishaus wurde deutlich, dass sich die AfD sehr weit vom politischen und wissenschaftlichen Konsens entfernt hat. Maik Julitz geht davon aus, dass es einen übergeordneten Plan gibt, eine multiethnische Gesellschaft durchzusetzen. Daraus leitet er, bezogen auf den Artikel 6 der UN-Menschenrechtskonvention, ein Recht auf Widerstand gegen deutsches Recht ab. Gängige Verschwörungsmythen haben ähnliche Argumente.

AfD stellt 20-seitigen Antrag zum Thema Windkraftausbau

Beim Thema Windkraft ist die Lage vergleichbar. Die AfD greift in der Wissenschaft umstrittene Thesen auf, um ihren Kampf gegen die Windkraft zu legitimieren. Der Antrag zum Thema umfasste 20 Seiten, und den dort aufgezählten Thesen wird in der Wissenschaft weitestgehend widersprochen. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Anke Lindszus ging bei der Vorstellung des Antrags mit dem Titel „Sichere und stabile Energieversorgung – Anpassung der Genehmigungsverfahren für den Bau von Windkraftanlagen im Landkreis Stade“ zu Recht davon aus, dass er abgelehnt werden würde.

Inhaltlich wollte die AfD den Bau von Windkraftanlagen an Voraussetzungen koppeln. So sollten die Genehmigung von Windkraftanlagen und Repowering vom Nachweis abhängig gemacht werden, dass die erzeugte Strommenge zu jeder Zeit in das Netz eingespeist oder auf eigene Kosten gespeichert werden kann. Auch das funktioniert rechtlich nicht, weil die Genehmigungsvoraussetzungen auf Landes- und Bundesebene gesetzlich festgelegt sind.
Drei Verwarnungen für drei Abgeordnete

„Das ist inhaltlicher Mist, der entsprechend behandelt werden muss“, sagte Ultsch. Für das Wort „Mist“ wurde er vom Kreistagsvorsitzenden Heino Baumgarten ermahnt. Genauso wie Koch-Böhnke, der die inhaltliche Konsistenz der AfD-Anträge als „Dünnpfiff“ einordnete.

AfD-Mann Maik Julitz wurde dafür gerügt, dass er sich nicht an die Redezeit hielt und die Hinweise Baumgartens ignorierte.
Personalien im Stader Kreistag: Einstimmig ist der Kreistag dem Vorschlag von Landrat Kai Seefried gefolgt, der bisherigen Leiterin des Amtes Recht, Sabine Brodersen, zum 1. April die Leitung des Dezernats III zu übertragen. Die Volljuristin wird vorbehaltlich der erfolgreich abgeleisteten mindestens sechsmonatigen Erprobungszeit zur leitenden Kreisverwaltungsdirektorin ernannt.

Der Kreistagsabgeordnete Carsten Brokelmann (FWG) hat aufgrund seiner neuen Position als Stadtrat der Hansestadt Stade sein Mandat im Kreistag abgegeben, für ihn ist als Nachrückerin Beate Rempe (FWG) verpflichtet worden.

„Hässliche Fratze des Rassismus“

Stader Kreistag: Kritik am AfD-Antrag zum „Flüchtlings-Stopp“

Jörg Dammann Neue Stader / Neue Buxtehuder

Nach dem Ende der Pandemie-bedingten Beschränkungen tagte der Kreistag am Montag erstmals wieder im Stader Kreishaus. Die Sitzung war auch im Livestream auf der Internetseite des Landkreises zu sehen. Auf der Tagesordnung standen verschiedene bereits in den Fachausschüssen beratene Themen sowie Anträge aus den Fraktionen, über die die Politiker abzustimmen hatten. Darunter war ein Antrag der AfD, die Aufnahme von Flüchtlingen aus nicht-europäischen Ländern zu stoppen.

Das WOCHENBLATT präsentiert die wichtigsten Themen:
Ehrung für Verstorbene

Vor dem Einstieg in die Tagesordnung gab es eine Schweigeminute – zu Ehren der im März verstorbenen ehemaligen Kreistagsabgeordneten Egon Ohlrogge (†83, SPD) und Helmut Barwig (†92, SPD). Ohlrogge gehörte dem Kreistag ab 1986 insgesamt 25 Jahre an, Barwig prägte über drei Jahrzehnte die Kreispolitik und war von 1972 bis 1976 ehrenamtlicher Landrat.
Förderung des Plattdeutschen

Der Landkreis Stade hat sich bereits seit fast 25 Jahren Jahren der Förderung der plattdeutschen Sprache verschrieben. In einem Lagebericht zur Situation der plattdeutschen Sprache warb der Vorsitzende des Vereins „De Plattdüütschen“, Heinz Mügge, gegenüber der Kreispolitik eindringlich dafür, in den Bemühungen zum Erhalt und zur Förderung der plattdeutschen Sprache nicht nachzulassen. Mügges Appell: Einfach mal mehr Mut zu haben, „Platt zu schnacken“ – beispielsweise in der Nachbarschaft.

Der CDU-Fraktionschef Helmut Dammann-Tamke berichtete, dass er erst als Jugendlicher Plattdeutsch gelernt habe – parallel zum Englischen. Plattdeutsch zu sprechen, habe ihm sehr geholfen bei seiner Tätigkeit als Landwirt. Es sei eben eine charmante Sprache, frei von Aggressivität.

Nachrückerin bei der FWG

Der Kreistagsabgeordnete Carsten Brokelmann (FWG) hat aufgrund seiner neuen Position als Stadtrat der Hansestadt Stade sein Mandat im Kreistag abgegeben, für ihn ist als Nachrückerin Beate Rempe (FWG) verpflichtet worden.

Katastrophenschutz-Zentrum

In nichtöffentlicher Sitzung beauftragten Kreisausschuss und Kreistag die Kreisverwaltung, die Planungen für ein Katastrophenschutzzentrum voranzutreiben. Die weiteren Beratungen dazu werden im April im zuständigen Fachausschuss geführt.

Zuschüsse für Kita-Bauten

Die Vereinbarung des Landkreises mit den Kommunen zur Finanzierung des Baus und Betriebs von Kindertagesstätten gilt rückwirkend zum Jahresbeginn in einer neu gefassten Form. Künftig gibt es für Neubauten 10.000 Euro pro Kita-Platz, bei Umbauten sind es 5.000 Euro. Damit erhalten die Kommunen unter dem Strich höhere Zuschüsse. Der Kreistag schloss sich damit der Empfehlung des Fachausschusses an. Die FWG wollte niedrigere Zuschüsse durchsetzen, doch der Antrag auf Reduzierung der Beträge um 50 Prozent wurde vom Kreistag abgelehnt.
Ehrenamts-Koordinator

Der Landkreis stellt bis zu 12.000 Euro im Jahr für eine beim Diakonieverband Buxtehude-Stade angesiedelte Stelle für die Ehrenamtskoordination bereit – zunächst befristet bis Ende 2025. Einen Großteil der Kosten trägt das Diakonische Werk Niedersachsen. Der Kreistag folgte mit seinem Beschluss dem Votum des Fachausschusses.
Energie-Härtefallfonds

Der Landkreis richtet einen regionalen Energie-Härtefallfonds ein. Dafür werden 130.000 Euro bereitgestellt. Die Kreisverwaltung wird eine entsprechende Vereinbarung mit dem Land Niedersachsen abschließen. Auch mit dieser Entscheidung griff der Kreistag eine Empfehlung des Fachausschusses auf.
Neue Landkreis-Dezernentin

Einstimmig ist der Kreistag dem Vorschlag von Landrat Seefried gefolgt, der bisherigen Leiterin des Amtes Recht, Sabine Brodersen, zum 1. April die Leitung des Dezernats III (u.a. zuständig für das Ordnungswesen) zu übertragen. Die Volljuristin wird vorbehaltlich der erfolgreich abgeleisteten mindestens sechsmonatigen Erprobungszeit zur Leitenden Kreisverwaltungsdirektorin ernannt.

Kritik an AfD-Antrag

Die AfD hatte den Antrag gestellt, dass ein „Aufnahmestopp für nicht europäische Migranten im Landkreis Stade“ verhängt wird. Die Argumentation der Populisten-Partei: Die Aufnahmekapazitäten seien erschöpft, daher müssten „Wirtschaftsflüchtlinge“ aus Syrien und anderen arabischen Staaten abgewiesen werden. In Syrien herrsche kein Krieg mehr, so der AfD-Abgeordnete Maik Julitz, der als vermeintlichen Beleg einen Prospekt für Bildungsreisen nach Syrien mitbrachte.

Der SPD-Fraktionschef Björn Protze verwies darauf, dass die AfD mit ihrem Antrag zum Rechtsbruch aufrufe. Tatsächlich ist es nicht Sache eines Landkreises, darüber zu befinden, ob bestimmte Gruppen von Flüchtlingen bzw. Asylbewerbern aufgenommen werden oder nicht. Offenbar hatten sich SPD, CDU, Grüne und FWG im Vorfeld zu einer gemeinsamen Stellungnahme zum AfD-Antrag verständigt.

Clemens Ultsch (Die Partei) bezeichnete den Antrag als „moralisch verwerflich und würdelos“, Benjamin Koch-Böhnke (Linke) erklärte, der Antrag zeige die „hässliche Fratze des Rassismus“. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit abgelehnt.