Giftige Chemikalien in der Elbe: Was das genau bedeutet

Anping Richter: Buxtehuder / Stader Tageblatt

Die Nachricht hat viele Menschen beunruhigt: Potenziell giftige Chemikalien der PFAS-Gruppe sind an 45 Orten in Niedersachsen nachgewiesen worden – auch in Flüssen im Landkreis Stade. Doch was genau heißt das eigentlich?PFAS (gesprochen: Pifas) sind weit verbreitet, langlebig, potenziell krebserregend und gesundheitsschädlich, aber in der Breite noch gar nicht untersucht. Doch sie kommen in vielen technischen Prozessen und Konsumprodukten zur Anwendung: in Feuerwehr-Löschschaum, Teflon-Pfannen, bei der Herstellung von Papier, Textilien oder Kosmetika.
Rückstände in Stade und im Alten Land nachgewiesen

Im Kreis Stade wurden PFAS-Rückstände an mehreren Messstellen nachgewiesen: an der Elbe bei Stade, Hollern-Twielenfleth und Bützfleth, aber auch an der Lühe-Aue. In Hamburg sind laut Umweltsenator Jens Kerstan 50 mit sogenannten Ewigkeitschemikalien PFAS verunreinigte Flächen bekannt.

PFAS steht für die Gruppe der per- und polyfluorierten Chemikalien. Über sie wird zurzeit intensiv diskutiert, denn sie sollen einem Vorstoß zufolge in der Europäischen Union weitgehend verboten werden. Nach Schätzungen geht es um mehr als 10.000 einzelne Stoffe.
Gefahreneinschätzung laut Landkreis schwierig

Grundsätzlich kümmert sich im Kreis Stade die Untere Wasserbehörde/Untere Bodenschutzbehörde um derartige Stoffeinträge in Gewässer und Boden. Doch die Frage, wie gefährlich die gemessenen Konzentrationen für Menschen oder Tiere sind, kann beim Landkreis nicht abschließend beantwortet werden: „Hierzu fehlt unter anderem die Grundlage für die Bewertung, das heißt, es gibt derzeit noch keine Grenzwerte für die Stoffgruppe PFAS in Grundwasser, Trinkwasser und Boden“, teilt die Pressestelle des Landkreises auf Nachfrage mit. Deshalb sei zurzeit beim Landkreis auch nicht geplant, in Sachen PFAS tätig zu werden.Doch Wissenschaftler und Behördenvertreter seien laut Pressestelle in Sorge. Der Grund: Weil es laut Umweltbundesamt sehr viele PFAS gibt, könnten die derzeitigen regulatorischen Maßnahmen und Möglichkeiten nicht ausreichen. Einige Hundert dieser Verbindungen sind bereits verboten, aber viele der derzeit legal eingesetzten PFAS sind hinsichtlich ihrer möglichen Gefahren für Umwelt und Gesundheit noch nicht ausreichend charakterisiert, während ihre Langlebigkeit und Verbreitung in der Umwelt unbestritten ist.
Feuerwehr setzt PFAS-haltigen Löschschaum nicht mehr ein

Potenziell ist der Eintrag von PFAS überall dort möglich, wo Löschschaum oder Netzmittel verwendet wurden. Der Landkreis betont, dass die letzten PFAS-haltigen Löschmittel ausschließlich eingesetzt wurden, wenn sichergestellt werden konnte, dass anfallendes Löschwasser aufgefangen und ordnungsgemäß entsorgt werden konnte. Seit spätestens 2019 werden PFAS-haltige Löschmittel im Kreis Stade nicht mehr eingesetzt.

Im „Forever Pollution Project“ (übersetzt: Projekt Ewige Umweltverschmutzung) hatte ein internationales Medienkollektiv, zu dem auch „SZ“, NDR und WDR gehören, recherchiert. An über 1500 Orten in Deutschland lassen sich PFAS nachweisen.

Der Recherche nach lag die Belastung an der Messstelle Elbe nahe Grauerort bei 580 ng (Nanogramm pro Kilogramm), gemessen in einer Sedimentprobe im Jahr 2021. Bei Bützfleth waren es 43,86 ng (gemessen an der Wasseroberfläche 2007), in Hollern-Twielenfleth bei 27,37 ng (gemessen an der Wasseroberfläche 2005). An der Lühe-Aue waren es 115 ng (Sedimentprobe 2021).

Linke-Fraktion stellt Anfrage zu Gefahren durch PFAS

Doch was bedeutet das tatsächlich für die Menschen vor Ort? Das will auch die Linke-Fraktion im Kreistag genau wissen und hat dazu eine Anfrage gestellt. „Wir sind Obstbaugebiet, viele baden gerne in der Elbe, ich auch“, sagt der Fraktionsvorsitzende Benjamin Koch Böhnke.

Die Anfrage ist sehr detailliert. Ihre Beantwortung dürfte jetzt einige Experten beschäftigen und noch einige Wochen dauern, wie die Pressestelle des Landkreises mitteilt. Ein wichtiger Ansprechpartner dürfte dabei der NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) sein, der 2021 eine landesweite Untersuchung zu PFAS veröffentlicht hat – und bei Messungen auch an der Elbe in Grauerort fündig wurde.