Darum ist die Energiekosten-Hilfe im Kreis Stade umstritten

Karsten Wisser: Buxtehuder / Stader Tageblatt

Sinnvolle Hilfe für die Menschen in der Energiekrise oder Bürokratie-Monster ohne Nutzen? Der geplante Härtefallfonds für den Landkreis Stade ist bei den Fachleuten in der Verwaltung umstritten. Die Politik will ihn trotzdem.Das Land Niedersachsen stellt 50 Millionen Euro zur Verfügung, um zu verhindern, dass die Energieversorger Menschen die Strom- und Gasversorgung kappen, wenn diese wegen Inflation und explodierender Energiekosten ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Wenn dann Energieschulden entstehen, weil Abschläge oder Nachzahlungen im Rahmen von Nebenkostenabrechnungen nicht gezahlt werden, droht die Einstellung der Energielieferung durch die Versorger. Damit daraus ein regionaler Härtefallfonds wird, müssen der Landkreis Stade und die örtlichen Energieversorger sich je zu einem Drittel an den Kosten beteiligen.
Staatliche Hilfen haben Vorrang

Aber: Im Regelsystem greifen dann für den Großteil der Betroffenen die sozialen Sicherungssysteme. Sie können sich an das Jobcenter oder das Sozialamt wenden. Unter bestimmten Voraussetzungen können dort Energieschulden als Beihilfe oder als Darlehen übernommen werden. Wer ohnehin auf staatliche Hilfen für seinen Lebensunterhalt angewiesen ist, hat zum Beispiel Anspruch auf mehr Wohngeld.

Die Vorgaben des Landes sehen auch ausdrücklich vor, dass Betroffene erst den Weg zu den Ämtern wählen müssen, bevor sie einen Antrag beim Härtefallfonds stellen können. Vorrang haben auch Absprachen und Vereinbarungen mit Energieversorgungsunternehmen zur Abwendung der drohenden Energiesperre. Hier geht es um Stundungen, Ratenzahlungen und die Reduzierung von Abschlagszahlungen.
„Gut gemeint, aber nicht zu Ende gedacht“

„Der Härtefallfonds ist überflüssig und nicht zielführend“, kritisiert Thomas Schmidt, Leiter des Sozialamts beim Landkreis Stade, den Härtefallfonds in ungewöhnlich scharfer Form. Man habe die unterschiedlichsten Szenarien durchgespielt, aber keinen Personenkreis ausfindig machen können, der aufgrund der Vorgaben Anspruch auf Leistungen aus dem Härtefallfonds haben könnte. Auf der anderen Seite stehe ein großer bürokratischer Aufwand. „Wenn überhaupt geht es um Einzelfälle“, sagt Schmidt. Auch Sozialdezernentin Susanne Brahmst teilt die Bedenken. „Gut gemeint, aber nicht zu Ende gedacht“, lautet ihr Urteil.
Politik spricht sich für den Härtefallfonds aus

Der zuständige Sozialausschuss des Stader Kreistags brachte den Härtefallfonds trotz der Bedenken der Fachleute nach kontroverser Diskussion einstimmig auf den Weg. „Das ist eine Mogelpackung“, kritisierte Kreistagsfraktionsvorsitzender Benjamin Koch-Böhnke von der Linkspartei den Härtefallfonds. Sollten sich die Befürchtungen der Stader Verwaltung bestätigen, würde er einen neuen und sinnvollen Fonds beantragen. „Das ist keine Mogelpackung, eher ein letztes Auffangbecken“, sagte dagegen die Grünen-Kreistagsabgeordnete Karin Aval. Die Ausschussvorsitzende Petra Tiemann (SPD) warb dafür, erst einmal abzuwarten, wie groß der Bedarf für den regionalen Härtefonds tatsächlich ist und dann neu zu beraten. Die abschließende Entscheidung trifft der Kreistag in seiner Sitzung am 20. März.Weil die Erwartungen gering sind, wird der Energiekosten-Härtefallfonds erst einmal mit wenig Geld ausgestattet. Der Kreis gibt 130.000 Euro, dazu kommen dann noch einmal 130.000 Euro vom Land und die gleiche Summe von den Energieversorgern in der Region – theoretisch. In der Praxis wird es in der kommenden Woche erste Gespräche mit den Unternehmen geben.