Europawahl: Politik stellt sich Schülern

Von Karsten Wisser ( Stader / Buxtehuder Tageblatt)

STADE. Sieben Politiker waren zur Podiumsdiskussion zum Thema Europawahl in das Athenaeum gekommen, um 250 Schülern ihre Positionen zu erklären und miteinander zu diskutieren. Moderiert wurde die Diskussion von TAGEBLATT-Chefredakteur Wolfgang Stephan.

Organisatoren und Veranstaltung: Der 16 Jahre alte Stader Schüler Julian Martin hat die Idee zur Podiumsdiskussion gehabt und die Organisation weitgehend eigenständig durchgeführt – bis hin zum Aufbau der Technik mit der Technik AG. Athenaeum-Schulleiter Martin Niestroj lobte ihn dafür. „Wir wollen solche Veranstaltungen öfter machen, denn es geht um unsere Zukunft“, sagte Julian Martin. Das zeitliche Fenster für eine Diskussion war ambitioniert. Eineinhalb Stunden Zeit standen für das Thema Europa zur Verfügung. Für alle Schüler der Jahrgänge zehn und elf war die Diskussion eine Pflichtveranstaltung.

Die Diskutanten und ihre Chancen bei der Europawahl: Die Zusammensetzung auf dem Podium hätte kaum unterschiedlicher sein können. Mit dem früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister war die Nummer eins der CDU-Landesliste und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments dabei. McAllister wird dem EU-Parlament aufgrund seiner sicheren Listenposition auch wieder angehören. Das gilt höchstwahrscheinlich auch für den SPD-Europa-Abgeordneten Dr. Joachim Schuster. Der Bremer steht auf der Liste auf Platz 16. Das sollte auch bei einer schwächelnden Sozialdemokratie für den Wiedereinzug reichen. Gute Aussichten dem nächsten EU-Parlament anzugehören, hat auch die ehemalige Bundestagsabgeordnete Viola von Cramon. Sie hat den Listenplatz 19. Als Faustregel gilt, dass es pro Prozentpunkt Stimmen in Deutschland einen Abgeordneten in Brüssel beziehungsweise Straßburg gibt. Die Grünen liegen bei Umfragen bei über 20 Prozent. Mit nicht viel schlechteren Platzierungen, aber nach jetzigem Stand wohl chancenlos sind Nino Ruschmeyer (FDP) und Christian Waldheim (AfD). Ruschmeyer steht auf Platz 22, Waldheim auf Platz 24.

Die Linken und die in Stade noch aktive Piratenpartei waren nicht durch Kandidaten vertreten. Sie hatten mit Klemens Kowalski (Linke) und Richard Bodo Klaus (Piraten) Kommunalpolitiker geschickt. Klaus ist Bürgermeisterkandidat seiner Partei in Stade.

Die Themen und die Positionen der Parteien: Die Debatte um das umstrittene Urheberrecht auf europäischer Ebene spielte eine zentrale Rolle. Vorweg: Nur David McAllister bekannte sich „mit Bauchschmerzen“ im EU-Parlament mit „Ja“ gestimmt zu haben. Alle anderen haben wie Joachim Schuster oder hätten gegen die Reform gestimmt. „Die Debatte ist noch nicht zu Ende“, sagte David McAllister. Er verwies auf eine Protokollerklärung der Bundesregierung, die sich auch kritisch mit einigen Punkten der Reform auseinandersetzte und die Möglichkeit, bei der nationalen Umsetzung Dinge noch zu verbessern.

„Urheber von kreativer Arbeit müssen bezahlt werden“, erklärte Joachim Schuster die Intention der Urheberreform. Das viel diskutierte Instrument der Upload-Filter lehne er, wie auch eine Mehrheit der deutschen SPD-Europaabgeordneten, aber ab. Es gebe andere Möglichkeiten. Schuster schilderte aber auch, dass in anderen Ländern das Thema nicht den gleichen Stellenwert wie in Deutschland habe.

Die Grünen haben auch beide Positionen zum Thema Urheberrechtsreform bei ihren Abgeordneten vertreten. Viola von Cramon ist allerdings ganz klar gegen den umstrittenen Paragraf 17, der regelt, dass die Plattformen selber dafür sorgen müssen, dass kein urheberrechtlich bedenkliches Material hochgeladen wird. „Die großen Plattformen werden gestärkt. Google war nie gegen die Reform.“ Das sei Wettbewerbsverzerrung.

„Wir sind selbstverständlich gegen die Urheberrechtsreform“, sagte Christian Waldheim (AfD). Das sei eine Zensur des Internets. Für Nino Ruschmeyer (FDP) ist die aus seiner Sicht missratene Reform ein Grund für eine Stärkung der liberalen Kräfte im EU-Parlament. Klemens Kowalski (Linke) befürchtet, dass durch die Reform der Charakter des Internets zerstört werde. „Wer da zugestimmt hat, verschickt seine Mails noch per Fax“, so Kowalski. Richard Bodo Klaus kritisierte, dass auch nicht-kommerzielle Inhalte betroffen seien.

Beim Thema Migration überraschte der AfD-Vertreter Christian Waldheim mit moderaten Tönen. Wer Straftaten begehe, gehöre abgeschoben, sagte er auf eine entsprechende Frage und war damit nicht weit weg von David McAllister. „Wer Straftaten begeht, verwirkt sein Gastrecht“, sagte dieser. Der CDU-Mann fordere in diesem Zusammenhang, dass sich alle europäischen Staaten bei der Verteilung der Flüchtlinge solidarisch verhalten. Dr. Joachim Schuster sah das differenzierter. „Man muss schauen, welche Straftat das ist“, sagte er. Und eine Straftat rechtfertige nicht die Abschiebung in ein Land, in dem dem Menschen Gefahr für Leib und Leben drohen würde. Viola von Cramon fand, dass Verbrechen mit Migrationshintergrund zu sehr im medialen Fokus stehen würden. „Es gibt keinen Anstieg der Kriminalität“, sagte sie. „Jeder hat Anrecht, auf ein rechtsstaatliches Verfahren“, sagte Kowalski von den Linken. Alle Statistiken würden zeigen, dass „wir auf einem guten Weg sind“.

Beim Klimawandel gab es in den Positionen auf der Handlungsebene keine großen Unterschiede. Die AfD zieht den menschengemachten Klimawandel zwar in Zweifel, bei den Positionen der anderen Parteien gab es aber keine großen Unterschiede. Allerdings boten Linke und FDP bei diesem Themenkomplex Provokantes. „Jeder muss sich selbst fragen, was er bereit ist aufzugeben“, sagte Kowalski und brachte dabei das so beliebte Smartphone als Möglichkeit des Verzichts ins Spiel. „Wir reden über unser Überleben“, sagte er. Die Frage sei, ob es Parteien gebe, die den Mut haben, Verzicht einzufordern und Wähler, die dies mit ihrer Stimme honorieren würden. Der FDP-Kandidat Nino Ruschmeyer setzte dagegen auf die Eigenverantwortlichkeit der Menschen. „Bei den Linken kommt nur Armut für alle raus. Der Mensch muss auch das Recht haben, mal unvernünftig zu sein, und das Gaspedal vom Golf GTI voll durchzudrücken.“