Das ist unsozial: 7 Euro Taxizuschlag für Rollifahrer im Kreis Stade

Jörg Dammann: Stader / Buxtehuder Wochenblatt

In dieser Woche hat die neue Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, den Diskriminierungs-Jahresbericht für 2021 vorgestellt. In mehr als 30 Prozent der gemeldeten Fälle ging es darum, dass Menschen mit Behinderung diskriminiert wurden. Der Landkreis Stade könnte es schaffen, im nächsten Jahr im Bericht von Atamans Behörde zu landen: Es geht um die in dieser Woche eingeführten neuen Taxitarife. Rollstuhlfahrer müssen ab sofort 7 Euro Zuschlag zahlen. Der Behindertenbeauftragte der Stadt Buxtehude, Jens Nübel, bewertet diesen Fahrpreisaufschlag ganz klar als Diskriminierung schwerstbehinderter Menschen.

Nübel verweist darauf, dass alle Politiker immer von Inklusion und Teilhabe sprechen. Im Landkreis Stade zeige sich nun, dass solche Worte nicht viel wert seien. Denn die Einführung des Rollstuhlfahrer-Zuschlags erfolgte auf Beschluss des Kreistages – mit der breiten Mehrheit von CDU, SPD und FWG. Der Landkreis Stade dürfte sich mit einer Erwähnung im nächsten Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle in „guter Gesellschaft“ befinden: Immerhin 37 aller gemeldeten Fälle von Diskriminierung erfolgten durch staatliche Stellen.
„Preisaufschlag ist nicht akzeptabel“

Seit Montag dieser Woche gelten im Landkreis Stade neue Taxitarife (das WOCHENBLATT berichtete). Taxifahren ist jetzt um einiges teurer: Die Preise wurden um rund 25 Prozent angehoben. Allerdings ist dies die erste Tariferhöhung seit mehr als sieben Jahren. Noch tiefer in die Tasche greifen müssen Fahrgäste, die auf den Rollstuhl angewiesen sind. Für Rollifahrer wird nun ein Zuschlag von 7 Euro erhoben. Für Jens Nübel ist das ein Unding. „Menschen mit Behinderung einen Preisaufschlag aufzudrücken, ist nicht akzeptabel“, ärgert sich Nübel. „Mehr Diskriminierung geht nicht.“
Politik

Wer sich ein Taxi nimmt, muss ab Mitte August tiefer in die Tasche greifen.

Dass die allgemeinen Taxitarife wegen des höheren Mindestlohns und steigender Benzinpreise angepasst werden mussten, sei für ihn nachvollziehbar, so Nübel. Nicht aber der Rollstuhl-Zuschlag, der schwerbehinderte Menschen betrifft, die nicht in den Autositz umgesetzt werden können und daher im Rollstuhl sitzend transportiert werden müssen. Gerade dieser Personenkreis sei oftmals auf das Taxi angewiesen, um überhaupt mobil sein zu können. „Diese Abhängigkeit finanziell auszunutzen, ist unanständig“, meint der Behindertenbeauftragte.

Nübel fragt sich: „Werden demnächst auch für Rollatoren oder Kinderkarren irgendwelche Zuschläge erhoben?“ Es sei peinlich, dass gerade die Schwächsten in der Gesellschaft mit höheren Preisen abgestraft werden. Eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben könnten sich viele Rollstuhlfahrer so gar nicht mehr leisten. „Wer als Rollstuhlfahrer etwa Freunde besuchen will oder mal in die Stadt möchte, muss allein an Zuschlägen 14 Euro berappen. Das widerspricht doch dem Grundgedanken von Inklusion und Teilhabe.“

Der Behindertenbeauftragte appelliert an die Politik, den Beschluss zurückzunehmen. Die höheren Taxitarife inklusive Rollstuhl-Zuschlag sind im Juli vom Kreistag beschlossen. „Es kann doch kein Problem sein, einen Fehler einzugestehen und die neue Entgeltverordnung für das Taxigewerbe entsprechend zu korrigieren“, meint Nübel.

Linke und Grüne sind gegen Rolli-Zuschlag

Ob sein Appell erhört wird, bleibt fraglich. Denn vor dem Kreistagsbeschluss wurde in der Politik explizit über die 7 Euro diskutiert. Die Linke hatte beantragt, diesen Aufschlag aus der Verordnung zu streichen, da er „nicht nur zutiefst unsozial, sondern auch absolut diskriminierend“ sei. Auch die Grünen schlossen sich dieser Ansicht an. Doch die breite Mehrheit der großen Fraktionen CDU, SPD und FWG votierten für den Rolli-Zuschlag. Man wolle aber die Auswirkungen dieses Zuschlags „sensibel“ beobachten, heißt es.

Dass es anders gehen kann, zeigt sich am Beispiel des Landkreises Wesermarsch. Dort ist Taxifahren zwar auch teurer geworden, aber auf den Zuschlag für Rollstuhlfahrer wurde auf Empfehlung der Verwaltung bewusst verzichtet. Niemand dürfe aufgrund seiner Behinderung finanziell schlechter gestellt werden, so die Begründung. Das sei sonst zutiefst unsozial.