Wie Buxtehude die Klimaneutralität erreichen kann

Von Fenna Weselmann: Buxtehuder Tageblatt

Klimaneutralität bis 2035: Warum dieses von der Politik für die Stadt Buxtehude gesteckte Ziel sehr ambitioniert ist, welche Hürden es gibt und was das für die Bürger bedeutet, hat das Buxtehuder Klimaforum am Wochenende deutlich gemacht.

Geschätzte 70 Teilnehmer füllten die Idee dieses von den grünen, der SPD und den Linken organisierten Buxtehuder Klimaforums mit Leben. Vertreter der Verwaltung, Politiker und Bürger kamen mit Experten ins Gespräch über Möglichkeiten, die Klimawende aktiv mitzugestalten.

Mit von der Partie waren als Referenten Peter-M. Friemert vom Zentrum für Energie, Bauen, Architektur und Umwelt (ZEBAU) in Hamburg, Robert Neumann von der BürgerEnergie Buxtehude, Lothar Nolte von der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen sowie Stefan Babis von den Buxtehuder Stadtwerken.
Klimaforscher Mojib Latif fordert einen Wertewandel

Zum Kreis der Experten gehörte auch der renommierte Klimaforscher und Meteorologe Professor Dr. Mojib Latif vom Geomar Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel. In einer Videobotschaft machte er die Dringlichkeit für Klimaschutz-Anstrengungen deutlich und klar, warum es keine Alternative zu sofortigem Handeln gibt.

„Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen, vor der die Menschheit steht“, so Mojib Latif. Messdaten und Berechnungen zeigen den eindeutigen Zusammenhang von CO2-Emission und Erderwärmung. Die Folgen sind schon jetzt sichtbar. Bilder von der Katastrophe im Ahrtal sind nur ein Beispiel für zunehmende Wetterextreme wie Hitzewellen und Dürren oder Starkniederschläge.

Mojib Latif, Klimaforscher und Meteorologe, machte in einer Videobotschaft die Dringlichkeit für Klimaschutz-Anstrengungen deutlich

„Tatsache ist, dass man mit Physik nicht verhandeln und auch keine Kompromisse schließen kann“, betont der Experte. Wenn der CO2-Ausstoß wie bisher bleibe, steuere die Welt auf eine globale Erwärmung von fünf Grad Celsius bis Ende des Jahrhunderts zu. Für Latif gibt es deshalb nur einen Weg: „Wir brauchen einen Wertewandel. Wir müssen verstehen, dass das Schicksal unserer Erde auf dem Spiel steht und versuchen das Wohl unseres Planeten mit den Entwicklungen der Modernisierung in Einklang bringen. Das verlangt eine menschliche, ja kulturelle Revolution.“
Herzstück ist die städtische Selbstverpflichtung

Philipp Bravos – seit Jahren in Buxtehude aktiv für den Klimaschutz und jetzt im Stadtrat für die Grünen – macht deutlich, warum der von den Grünen, SPD und Linke gemeinsam eingebrachte Antrag zum Klimaschutz für die Kommune so wichtig ist: „Wir haben kein Wissensproblem, wir haben ein Handlungsproblem.“ Mit dem politisch beschlossenen Ziel, Buxtehude bis 2035 klimaneutral zu machen, gebe es nun einen klaren Handlungsrahmen. Um den erforderlichen Systemwechsel voranzutreiben, braucht es die Kommune als Wegbereiter und Vorbild. In diesem Sinn gelte es, vor allem die enormen Vorteile voranzustellen, die aus Klimaschutz-Anstrengungen erwachsen können – für jeden einzelnen und die Welt.

Herzstück des Ratsbeschlusses ist die Weiterentwicklung des Klimaschutzkonzepts für die Stadt. Das Thema Energiewende steht in Buxtehude nicht erst damit auf dem Plan. Neu dabei ist die kommunale Selbstverpflichtung zu konkreten Minderungszielen für CO2-Emission mit oberster Priorität in der Verwaltung. Mit 2035 hat Buxtehude das Ziel zur Klimaneutralität zehn Jahre früher gesteckt als auf Bundesebene. Die Kommune spielt eine wichtige Rolle. Sie kann als „Verbraucher, Gestalter und Vorbild“ den Klimaschutz vor Ort voranbringen, so die zentrale Botschaft von Referent Lothar Nolte. Anstrengungen der Verwaltung allein reichen aber nicht. Jeder einzelne Bürger ist gefragt, etwas zu bewegen. Die Anforderung an Gebäude würde künftig deutlich strikter, so Nolte.
Zentrale Bedeutung hat die Energiewende

Dreh- und Angelpunkt beim Klimaschutz ist das Thema Energie. Der Buxtehuder Peter M. Friemert erklärt, was Hauseigentümer tun können. Erster wichtiger Schritt ist eine unabhängige Beratung, um einen auf die individuelle Lebensrealität abgestimmten Fahrplan etwa für Modernisierungsmaßnahmen aufzustellen. Dabei verweist Friemert auf die vielen Fördermöglichkeiten, stellt aber auch klar: „Klimaschutz gibt es nicht kostenfrei. Den werden wir alle gemeinsam bezahlen.“

Die Kommune kann hier durchaus den Handlungsrahmen setzen, etwa über Vorgaben in Bebauungsplänen zum Anteil erneuerbarer Energien bei Neubauten oder der Verwendung nachhaltiger Baustoffe bei der Fassadengestaltung. Stadtbaurat Michael Nyveld konnte kurzfristig nicht wie angekündigt teilnehmen. Sein Ausblick auf die Zukunftsideen der Stadt fehlte also.

Aus dem Publikum kam die Anmerkung, dass der Fokus nicht nur auf dem Ausbau erneuerbarer Energie liegen kann, sondern das Einsparen von Ressourcen von wesentlicher Bedeutung ist. Außerdem wurde das Energiekonzept für die Halle Nord zum Thema gemacht, das auch in der Politik gerade wieder neu aufgerollt wird.
Bürger können zusammen viel bewirken

Ein flammendes Plädoyer für das, was Bürger gemeinsam erreichen können, kommt von Robert Neumann. Am Beispiel der genossenschaftlich organisierten BürgerEnergie Buxtehude zeigt er Chancen von bürgerschaftlichem Engagement. Es braucht Macher. „Machen ist wie wollen, nur krasser. Und wir machen Energie“, sagt Neumann. Als Gemeinschaft von Bürgern haben sie Windkraft und Solaranlagen im Kreisgebiet realisiert. Neumann legt aber auch den Finger in die Wunde, was Hindernisse angeht.

Weil sich der Gesetzgeber bei der Abwägung einzelner Interessen schwertut, wird Initiativen für erneuerbare Energien buchstäblich der Wind genommen. Ein Rotmilan kann da schon mal ein ganzes Projekt gefährden. „Seit sechs Jahren eiern wir deshalb mit drei Windrädern rum“, gibt Neumann ein Beispiel, wie ambitioniert da ein Plan zur Klimaneutralität bis 2035 ist. „Das ist aber kein Grund, nicht anzufangen“, betont Neumann.
Große Zeitfresser von Bürokratie bis Personalmangel

Neben bürokratischen Hürden durch komplizierte Genehmigungsverfahren, die auch das Publikum beklagt, gibt es weitere Zeitfresser.

Steigende Baukosten, Rohstoffknappheit, Störung der Lieferketten und Personalmangel haben ebenso Auswirkungen auf den Klimaschutz. Sanierungsvorhaben geraten ins Stocken, wenn die finanzielle Herausforderung für Eigentümer zu groß wird und Baumaterial wie Holz oder Technik wie Wärmepumpen nicht verfügbar sind. Energieberater sind gefragt wie nie, die vielen Anfragen sind kaum zu stemmen. Hier braucht es dringend zusätzliches Personal. Und der Fachkräftemangel macht in der Verwaltung nicht halt, was sich auf die Bearbeitungsdauer von Anträgen auswirken kann.

Beim Klimaforum standen Referenten wie Stefan Babis von den Buxtehuder Stadtwerken Rede und Antwort zu Konzepten für die Energiewende. Fotos: Weselmann

Unternehmen wie die Buxtehuder Stadtwerke stehen vor dem gleichen Problem. Ohne qualifizierte Mitarbeiter kommt der Ausbau erneuerbarer Energien nicht voran. „Der Ukraine-Krieg hat das Interesse an alternativer Energieversorgung extrem beschleunigt, und im Energiemarkt ist enorm Dynamik“, sagt Babis. Die Buxtehuder Stadtwerke wollen sich dieser Herausforderung stellen. In Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung, aber auch mit Partnern wie der Wohnungsbaugenossenschaft, werden die Möglichkeiten für größere Photovoltaik-Flächen laufend ausgelotet – auch mit Blick auf Konzepte für Mieter.

In der Abschlussrunde mit Fraktionsvertretern von CDU, BBG/FWG, SPD, Grünen und Linken wird deutlich, dass Wissen über die komplexen Zusammenhänge gefragt ist, wenn es um die Entwicklung, Beurteilung und Umsetzung von Konzepten zum Klimaschutz geht. Und bei allen Bestrebungen ist die Sozialverträglichkeit nicht zu vergessen. Abgesehen von konsequentem Handeln der kommunalen Verwaltung liegt die große Hoffnung auf den Bürgern. Sie müssen mit ins Boot. So stehen im Sommer weitere Veranstaltungen zur Bürgerbeteiligung auf der Agenda.