Audioguide: Stader Schüler gewinnen Zivilcouragepreis
Der Zivilcouragepreis 2024 geht nach Stade: Mit einem Audioguide, der an Erinnerungsorte der NS-Zeit führt, haben Schülerinnen und Schüler der BBS II überzeugt. Wer den QR-Code mit seinem Handy einscannt, kann direkt vor Ort hören, was sich in Stade in der Zeit des Nationalsozialismus zugetragen hat. Mit eigenen Stimmen und Worten erzählen die Schülerinnen und Schüler der BBS II in ihrem antifaschistischen Audioguide von Gewalt und Unterdrückung und erinnern an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft von 1933 bis 1945 in der Stadt Stade.
Die Jury des Schülerfriedenspreises war so beeindruckt, dass sie dem Politikkurs der Fachoberschule Wirtschaft dafür den mit 2000 Euro dotierten Zivilcouragepreis zusprach.
Großes Lob: Stadtrundgang eindrucksvoll umgesetzt
Der Zivilcouragepreis ist ein Sonderpreis im Rahmen des Niedersächsischen Schülerfriedenspreises, der seit 1993 besondere Leistungen würdigt, die dem friedlichen und solidarischen Zusammenleben von Menschen in einer vielfältiger werdenden Gesellschaft dienen. Während es beim Schülerfriedenspreis einen ersten, zweiten und dritten Platz gibt, wird der Zivilcouragepreis nur einmal verliehen - in diesem Jahr an die Stader Schüler.
Staatssekretär Marco Hartrich hob in seiner Laudatio die nachhaltige und öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung mit Rassismus und Antisemitismus hervor, aber auch die eindrucksvolle Umsetzung des Stadtrundgangs. Basierend auf den antifaschistischen Stadtrundgängen des Lokalgeschichtsforschers Michael Quelle haben die Schüler einen Audioguide entwickelt, der nicht nur informiert, sondern den Zuhörer auch das Grauen und die Ungerechtigkeit des Unrechtsregimes fühlen lässt.
Junge Stimmen erzählen von Grauenhaftem
„Die Schüler hören gerne Podcasts und waren für das Projekt sehr motiviert“, berichtet Lehrerin Sabine Stellamanns-Wramba. Von Mai bis März arbeiteten sie daran, kauften Mikrofone, machten sich in Technik und Umsetzung fit. Sie führen an sieben Erinnerungsorte.
Einer davon ist die Polizeiinspektion in der Teichstraße, wo einst die Baracken der Zwangsarbeiter standen - und die der Zwangsarbeiterinnen, die bei Schwangerschaft oft zur Abtreibung gezwungen wurden. Manchmal wurden ihre Babys ihnen auch weggenommen und in Fremdvölkische Kinderheime gebracht. „Viele überlebten das nicht. Sie brauchten die Muttermilch. Sie verhungerten“, erzählt eine Mädchenstimme.
SA-Leute trieben Pastor Behrens durch Stade
Rassismus und Zwangsarbeit, Widerstand und Unrecht werden anhand der Lebensgeschichte von Opfern der NS-Gewaltherrschaft erlebbar.
Auch die Geschichte von Pastor Johann Gerhard Behrens gehört dazu, der sich Kirchenvorstand und Superintendenten widersetzte, Kinder jüdischer Abstammung taufte und bei einer Predigt die rassisch-völkische Weltanschauung verurteilte.
Mit der Aufschrift „Ich bin ein Judenknecht“ zerrten SA-Leute ihn durch Stades Straßen. Das Pastor-Behrens-Haus neben der Wilhadi-Kirche erinnert noch heute an sein Schicksal.
In der Jugendherberge und in der Tourist-Info liegen die Flyer mit QR-Codes auf dem Stadtplan aus. Hier kann der Audioguide kostenlos abgerufen oder auf Smartphone, Tablet oder PC geladen werden, ebenso online ist er zu finden.
Geplant ist, die QR-Codes auf Tafeln an den Erinnerungsorten zu montieren. Die BBS II sucht dafür noch Sponsoren. Eine spanische und eine englische Version des Audio-Guides sollen ein Projekt für die nächsten Jahrgänge sein. Kontakt: 04141/492-204.
Das Preisgeld will die Schule in Projekte stecken, die Demokratie fördern und zum Zivilcouragepreis passen. Einen kleinen Zusatz-Preis für die ausgezeichneten Schüler gab es vom Verlag Westermann - zum Feiern.