Mitglieder-Rekord: Das hat die Linke im Kreis Stade jetzt vor

ST | B. Vasel

Gestärkt von Neueintritten und dem Wahlergebnis will die Linke für soziale Gerechtigkeit eintreten. Im Kreis Stade hat sie ein konkretes Ziel.

Buxtehude. Der Saal im Kulturforum ist gut besucht. Viele neue Gesichter sind bei der Partei Die Linke zu sehen. Alt-Linke wie Uta Kretzler und Michael Quelle sind begeistert über das Interesse junger Leute. Der demokratische Sozialismus feiert in Buxtehude sein Comeback.

Dabei hätte noch vor einigen Monaten kaum einer auf den Wiedereinzug der Partei in den Bundestag gewettet. „Im Dezember haben wir die Fünf-Prozent-Hürde noch von unten gesehen“, so Kreisvorsitzender Benjamin Koch-Böhnke bei der Kreismitgliederversammlung im Kulturforum.

Fokussierung auf soziale Gerechtigkeit

Doch bereits ab Januar habe die Linke in vielen Umfragen gepunktet - mit einem Wahlprogramm, das angesichts hoher Miet- und Lebenshaltungskosten radikal „auf soziale Gerechtigkeit setzte“. Das hatten die Linken in mehr als 100.000 Haustürgesprächen entwickelt. „Wir kennen die Sorgen und Nöte der Menschen und nehmen sie ernst“, so Koch-Böhnke in seiner Rede.

Ihre vielen Forderungen seien in das Linken-Programm eingeflossen: bezahlbares Wohnen, Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Bus, Bahn, Grundnahrungsmittel und Hygieneprodukte, Mindestrente von 1400 Euro monatlich, sanktionsfreie Mindestsicherung, kostenfreies Mittagessen in Kita und Schule, preisgünstige Energie, Bürgerversicherung, Erhöhung des Kindergeldes auf 378 Euro, Sicherung der Krankenhäuser und Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro.

Großer Erfolg in den Sozialen Medien

Doch nicht nur die Programmatik, sondern auch die Präsenz der Linken in den Sozialen Medien wie TikTok und Instagram habe zum „irren Ergebnis“ beigetragen. Laut einer bundesweiten Nachwahl-Umfrage der ARD führte die Partei bei den Wählern zwischen 18 und 24 Jahren vor AfD und CDU mit 25 Prozent.

Die Social-Media-Kampagne der Spitzenkandidaten Heidi Reichinnek und Jan van Aken, aber auch die Mission Silberlocke mit Dietmar Bartsch, Gregor Gysi und Bodo Ramelow, habe „einen wesentlichen Anteil am Erfolg“, so Koch-Böhnke. Der KVG-Busfahrer aus Buxtehude hatte als Bundestagskandidat im Februar 6,2 Prozent (plus 3,4 Prozent im Vergleich zu 2021) geholt, seine Partei 7,1 Prozent (plus 4,2 Prozent). Kampagnen sollen lokal bei Instagram fortgeführt werden.

Im Wahlkampf, so Koch-Böhnke, habe ihn vor allem eine Begegnung mit einem betagten Rollstuhlfahrer tief beeindruckt. „Das war ein alter Sozialdemokrat. Er sagte: Ich habe mein Leben lang, über 60 Jahre, SPD gewählt. Jetzt wähle ich euch. Denn ihr seid die einzige Partei, die noch für soziale Gerechtigkeit steht.“

Linke will an Erfolg bei Kommunalwahlen 2026 anknüpfen

Der Kampf habe sich gelohnt. Die Linke will bei den Kommunalwahlen im Herbst 2026 an ihren Erfolg anknüpfen. Bislang sitzen die Genossen in den Räten in Stade und Buxtehude sowie im Kreistag. Im September nächsten Jahres wollen sie auch in die Räte auf der Stader Geest, im Alten Land und in Kehdingen einziehen.

„Dann können wird das Thema soziale Gerechtigkeit in noch mehr Kommunalparlamente einbringen“, so Koch-Böhnke. Mit Wohnungs- und Gesundheitskonferenzen hatte die Linke in der Vergangenheit lokal auch bei Nicht-Anhängern gepunktet.

Die Themen ziehen. Für Neu-Mitglied Emily Drohberg war „das soziale Profil“ ausschlaggebend. „Soziale Gerechtigkeit, dafür steht nur die Linke“, sagt sie. Bezahlbarer Wohnraum fehle. Ihr und den anderen Neu-Mitgliedern wie Arne Hinrichs und Oussama Lazreg bereite der Rechtsruck große Sorge.

Mit einer „Nazi-Partei wie der AfD“ würde die Linke niemals gemeinsame Sache machen. Doch auch bei Gesundheit, Bildung, Migration, Wirtschaft und Frieden habe die Linke ihn überzeugt, so Lazreg (19), Schüler vom Stader Gymnasium Athenaeum. „Die Linke steht für Menschenrechte“, sagt er.

Neue Ortsverbände und Linksjugend solid in Gründung

Die Begeisterung im Saal ist förmlich zu spüren, als Schatzmeister Peter Exner die Zahlen an die Wand wirft. Ende 2023 zählte die Linke auf Kreisebene 42 Mitglieder. Ende 2024 waren es 63. Exner: „Stand heute sind es 158. Wir haben uns mehr als verdreifacht.“ Die Frauen sind mit 79 in der Mehrheit (männlich: 78, divers 1).

In den Kommunen stehen Gründungen von Ortsverbänden an. Zudem formiert sich kreisweit wieder die Linksjugend ['solid), so Lazreg. Solid verstehe sich als sozialistischer, antifaschistischer, basisdemokratischer und feministischer Jugendverband.

Die Neuen wollen sich engagieren. Die Wahl des neuen Vorstandes wird auf Ende Mai vertagt. Neumitglieder können sich laut Satzung erst sechs Wochen nach Eintritt voll einbringen. „Doch wir wollen alle mitnehmen“, sagt Versammlungsleiter Michael Quelle.

Mit der IT- und Gesundheitsexpertin Nathalie Klöck und der Kreistagsabgeordneten Tanja Wilhelm aus Stade, sie war bei attac aktiv, könnte der Kreisverband bald von zwei Frauen geführt werden. Koch-Böhnke tritt nicht wieder an, er will sich auf Kreistag und Stadtrat konzentrieren. Formate wie der Vortrag des Armutsforschers Christoph Butterwegge sollen fortgesetzt werden (das TAGEBLATT berichtete).

Bei der Mahnwache für den 1992 von Nazis ermordeten Kapitän Gustav Schneeclaus wollen sich die Parteimitglieder am Freitag, 21. März, 17 Uhr, am Busbahnhof in Buxtehude wiedertreffen.