Linken-Fraktionschefin fordert sozialen Politikwechsel

Von Wolfgang Stephan / Buxtehuder- Stader Tageblatt

BUXTEHUDE. Eine politische Kundgebung zur Mittagszeit in der Buxtehuder Altstadt: Amira Mohamed Ali, Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, schaffte es immerhin, die Zahl ihrer Zuhörer auf dem Petri-Platz mit ihrer Rede zu verdoppeln. Am Ende des Auftritts hörten 40 Menschen zu.

Von nur wenigen Zuhörern nicht beeindrucken lassen – Amira Mohamed Ali schaffte diese Aufgabe professionell. In ihrer Rede warb die Bundestagsabgeordnete vehement für einen sozialen Politikwechsel in Deutschland. CDU und FDP sowieso, aber auch SPD und Grüne stehen nicht sonderlich in der Gunst der Linken, die sich als die einzige Interessenvertretung der Menschen sehen, die nicht zu den Besserverdienenden im Land gehören. Das seien beispielsweise die Busfahrer, Verkäuferinnen oder Pflegekräfte, die keine bezahlbare Wohnung mehr finden, weil 1,5 Millionen dieser Wohnungen fehlen. Eine Folge der Parteien, die im Interesse der großen Immobilienkonzerne handeln und die deren Parteispenden annehmen. Deshalb müssten dringend neue bezahlbare Wohnungen gebaut werden, eine Forderung, die auch der Buxtehuder Bürgermeisterkandidat Benjamin Koch-Böhnke erhebt.

Anhebung des Rentenniveaus

Zum sozialen Politikwechsel gehört für Amira Mohamed Ali eine Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent und eine solidarische Mindestrente in Höhe von 1200 Euro. „Es ist eine Schande, dass in einem der reichsten Länder der Welt Rentner zur Tafel gehen müssen.“ Weiterhin wird eine steuerliche Entlastung für alle Menschen, gefordert, die weniger als 6500 Euro brutto im Monat verdienen. Der Spitzensteuersatz soll auf 53 Prozent angehoben werden, ebenso der Mindestlohn auf 13 Euro pro Stunde. Wenn Olaf Scholz jetzt eine Erhöhung des Mindestlohns fordere, dann verschweige er, dass die SPD in den vergangenen Jahren alle Forderungen der Linken zur Erhöhung des Mindestlohnes abgelehnt habe.

Das Geld für den sozialen Umbau des Landes soll von denen kommen, die viel verdienen, aber wenig Steuern bezahlen. Beispielsweise von Konzernen wie Amazon. Mit einer Quellensteuer wäre es möglich, dass da Steuern gezahlt werden müssen, wo die Umsätze entstehen.

Gesundheitssystem in staatliche Hand

Weil „Gesundheit keine Ware“ sei, müsste das Gesundheitswesen wieder komplett zurück in die staatliche Hand. Amira Mohamed Ali: „Im Gesundheitswesen wird weiter zum Wohle der privaten Krankenhaus-Konzerne gespart, das ist ein Desaster.“ In der Corona-Pandemie sei die Zahl der Pflegerinnen und Pfleger um 9000 Stellen gesunken, weil die Beschäftigten die Ausbeutung nicht länger ertragen konnten. „Mit höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen können wir diese Menschen wieder zurückgewinnen.“

Um die Klimaziele zu erreichen, sei es in erster Linie notwendig, die großen Konzerne zu einer Umkehr zu zwingen. Es seien die Konzerne, die mit ihren klimaschädlichen Geschäftsmodellen Profite machen: 100 Unternehmen seien für 70 Prozent des globalen industriellen CO2-Ausstoßes verantwortlich. Aber CDU und SPD seien nicht bereit, sich mit den großen Konzernen anzulegen. Das könnte nach den Wahlen auch für die Grünen gelten: Wer grün wählt, wird sich schwarz ärgern“, sagt Mohamed Ali.

„Wir machen das nicht um jeden Preis“

Stehen die Linken auch für eine Regierungskoalition im Bundestag zur Verfügung, wenn rechnerisch eine Mehrheit möglich wäre? „Wir machen das nicht um jeden Preis“, sagte Amira Mohamed Ali im TAGEBLATT-Gespräch nach der Kundgebung. „Es muss darum gehen, einen echten Politikwechsel zu erreichen.“ Dass SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz auch am Sonntag in der RTL-Debatte eine Koalitionsaussage offen ließ, möchte die Linke-Politikerin nicht überbewerten. „Begeisterung sieht anders aus“, sagt sie mit Blick auf Olaf Scholz. Je stärker die Linke abschneide, desto größer sei der Druck auf die SPD, „für eine soziale Wende einzustehen“.

Sie sei von dem Auftritt der drei Kanzler-Kandidaten nicht begeistert worden, aber das sei auch nicht zu erwarten gewesen. Übrigens: Weder zu Annalena Baerbock, noch zu den Herren Scholz und Laschet hat die Fraktionsvorsitzende Kontakte. „Aber das kann sich ja ändern“, so Amira Mohamed Ali.