Linke wirft der AfD Rassismus vor

Von Karsten Wisser (Buxtehuder / Stader Tageblatt)

LANDKREIS. In einer emotionalen Debatte hat Benjamin Koch-Böhnke, Fraktionschef der Linken im Stader Kreistag, der AfD Rassismus vorgeworfen. Die AfD-Kreistagsfraktion schlug vor, die Versorgung von Asylbewerbern, und subsidiär Schutzberechtigten auf Sachleistungen umzustellen.

Während schon der Inhalt auf massiven Widerstand bei CDU, SPD, Grünen, Freier Wählergemeinschaft, Linken und FDP stieß, sorgte die vom AfD-Fraktionschef Jens Dammann im Kreis-Sozialausschuss mitgelieferte Begründung durchgehend für Empörung. Dammann warf der Kreisverwaltung vor, mit der Gewährung der Geldleistungen gegen geltendes Recht zu verstoßen.

„Viele überweisen das Geld in ihre Heimatländer“, so Dammann, der als Beleg für diese These eine Summe von 18 Milliarden Euro anführte, die von Migranten jährlich ins Ausland überwiesen werde. „So stößt unser Sozialsystem an seine Grenzen“, sagte Dammann. Er verfüge über Informationen, dass die Bevölkerung in Deutschland auf 260 Millionen erhöht werden solle und dass es Ziel des in den vergangenen Tagen viel diskutierten UN-Migrationspaktes sei, legale und illegale Migration gleich zu behandeln. Zur Einordnung: Aktuell hat Deutschland rund 80 Millionen Einwohner.

„Eigentlich sollten wir auf so einen Antrag mit Nichtbefassung reagieren, so viel Mist steckt da drin“, sagte Stefan Schimkatis für die SPD-Kreistagsfraktion. Er hatte sich die Zusammensetzung der 18 Milliarden Euro genauer angeschaut. Die Zahl – genau geht es um 17,7 Milliarden – kommt von der Bundesregierung. Sie beinhaltet aber alle Staaten weltweit außerhalb der EU. Vordere Plätze nehmen dort oft Länder ein, die mit der aktuellen Flüchtlingssituation nicht viel zu tun haben. Auf den ersten Plätzen stehen der Libanon (841 Millionen), Vietnam (645), Nigeria (640), China (617 Millionen), Serbien (551) und Indien (303). Nach Afghanistan (16), nach Syrien (27) und in den Irak (56) gehen demnach sehr viele kleinere Summen.

„Hier sollen Arme gegeneinander ausgespielt werden“, sagte der Linken-Abgeordnete Benjamin Koch-Böhnke: „Wir reden an diesem Tag, dem 9. November, über diesen Antrag. Da sehen Sie, wo Ausgrenzung hinführen kann“, so Koch-Böhnke mit dem Hinweis auf die sogenannte „Reichskristallnacht“ 1938.

„Der AfD-Antrag ist im Kern rassistisch“

Die Linke hatte in Kenntnis des AfD-Antrags eine Resolution in den Sozialausschuss eingebracht. „Der Kreistag des Landkreises Stade lehnt jegliche Art und jeglichen Versuch ab, sozial benachteiligte Menschen gesellschaftlich auszugrenzen und gegeneinander auszuspielen“, heißt es darin. Wer vor den Augen aller anderen an der Kasse mit Gutscheinen bezahlen müsse und nur vorbestimmte Dinge kaufen dürfe, werde gesellschaftlich ausgegrenzt und öffentlich gedemütigt. Koch-Böhnke: „Der AfD-Antrag ist, da er eine Gruppe von Menschen ausschließlich aufgrund ihrer Nationalität ausgrenzt, im Kern rassistisch.“

„Das hat nichts mit Rassismus zu tun“, entgegnete Jens Dammann den Angriffen. „Hier soll ein Scheunentor aufgemacht werden. Alle sollen kommen können“, so Dammann. Inhaltlich auf Dammanns Linie war im Sozialausschuss der Abgeordnete Lars Seemann von der Alternative für Stade (AfS). Er bewertete den Antrag der AfD zwar als schlecht begründet, bekannte sich aber zum Inhalt. Die AfS ist eine AfD-Abspaltung.

Gesetzliche Lage dargestellt

Die Kreisverwaltung stellte die tatsächlich gegebene gesetzliche Lage dar. Geregelt ist, dass es in Erstaufnahmeeinrichtungen Sachleistungen geben soll. Eine solche Einrichtung gibt es aber im Landkreis Stade nicht. Für die von der AfD ins Visier genommene Personengruppe gebe es einen gesetzlich geregelten Vorrang für Geldleistungen.

Gegen den AfD-Antrag stimmten alle anderen Politiker, für die Resolution der Linken alle außer die Politiker der AfD. Der Umstand ist insofern bemerkenswert, weil der Kreistag mit Resolutionen zu Themen, die nicht in seiner Entscheidungshoheit liegen, sehr zurückhaltend ist.