Linke fordert Bürgerbeteiligung per App / Tageblatt & Wochenblatt

Buxtehuder/Stader Tageblatt

BUXTEHUDE. Bürgerbeteiligung ist zurzeit ein angesagtes Thema in Buxtehude: Soeben hat die FDP/BBG/FWG-Gruppe die Einführung eines Jugendparlaments gefordert. Jetzt will die Fraktion der Linken im Buxtehuder Rat per App einen neuen heißen Draht zwischen Politikern und Bürgern in Buxtehude einführen.

Bei ihrem Antrag dazu nimmt sich die Linke ein Beispiel am Grünen-Bürgermeister Boris Palmer, der dies in Tübingen als bundesweit erste Kommune soeben eingeführt hat. Bei der ersten Bürgerbefragung per Smartphone-App gab es eine Wahlbeteiligung von 15 Prozent, wobei der größte Anteil auf die Einwohner im Alter von 16 bis 25 Jahren entfiel.

„Wir möchten, dass die Ausschüsse, der Rat aber auch die Bürgermeisterin mit der Verwaltung Umfragen initiieren können, um Meinungen zu aktuellen kommunalpolitischen, kulturellen und anderen Themen aus der Zuständigkeit Buxtehudes abzufragen“, erklärt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Klemens Kowalski. Das Ziel sei eine engere Beteiligung am Diskussionsprozess, da die meisten Bürger kaum an allen Sitzungen teilnehmen könnten.

Das Smartphone aber habe fast jeder dabei. Sein Fraktionskollege Benjamin Koch-Böhnke fügt hinzu: „Wir wollen auch, dass diese Umfragen von Personen am normalen Computerbildschirm im Browser mitgemacht werden können und dass auch eine Offlineteilnahme im Bürgerbüro mit einfachem Formular möglich sein soll.“

Die Ergebnisse einer solchen Befragung sollen zwar unverbindlich sein, den Menschen in der Stadt aber einen Einblick geben und vermitteln, wie ernst die Politik ihre Sorgen und Ansichten nehme. Die Bürger seien in der Regel auch die besten Berater. Die Nutzer könnten mit der Anwendung mit individuell freigeschaltetem Zugangscode schnell und unverbindlich Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung auswählen und optional in begrenztem Umfang eine Stellungnahme einreichen. Eine Teilnahme ohne digitale Hilfsmittel wie Computer oder Smartphone soll außerdem unkompliziert im Bürgerbüro ermöglicht werden.

Bürgerbefragung per App

Von Tom Kreib: Neue Buxtehuder / Stader

Wie Klemens Kowalski die Bürgermeinung via Smartphone erfahren will tk. Buxtehude. „Der Aufwand ist nicht riesig, der Effekt aber groß“, sagt Klemens Kowalski (Linke). Er schlägt vor, dass Buxtehude eine Bürgerbeteiligungs-App bekommt, um schnelle Umfragen zu aktuellen politischen Themen zu ermöglichen. „So kann sich jeder per Smartphone in politische Diskussionen einbringen.“ Das wäre auch ein Schritt, um der Politikverdrossenheit entgegenzuwirken, findet Kowalski. „Und die Politik bekommt ein Meinungsbild der Bürgerinnen und Bürger.“
Weil Klemens Kowalski Politiker und IT-Experte ist, hat er die Rahmenbedingungen bereits ausgelotet. Wer eine dafür entwickelte App nutzen will, muss sich im Bürgerbüro einen Code zum Freischalten abholen. Das sei wichtig, damit an Umfragen zu Buxtehuder Themen auch tatsächlich nur Bürger aus der Stadt teilnehmen. Zugleich müsse auch eine Zugangsmöglichkeit per Computer eingerichtet werden und für alle, die weder Handys noch PCs besitzen, eine Möglichkeit der schriftlichen Beteiligung eröffnet werden. Wenn ein technisches Gerüst steht, sei der Arbeitsaufwand nicht gewaltig, schätzt Klemens Kowalski. Zudem sei ein solches System inhaltlich erweiterbar. Es wäre möglich, dass nicht nur eine Frage von Politik und Verwaltung gestellt wird, sondern in einem zweiten Schritt auch Bürger ihre Themen via App in die Diskussion einbringen. Die Fragen können in Kowalskis Modell vom Rat, den Ausschüssen und der Bürgermeisterin gestellt werden. Die Ergebnisse seien natürlich nicht bindend, sondern spiegeln ein Meinungsbild wider. Und: Bürgerbegehren und Bürgerbefragung, sehr aufwändige Verfahren, werden durch die App natürlich nicht ersetzt.
Dass so etwas funktioniert und auch erfolgreich ist, hat gerade Tübingen als Beteiligungs-Pionier bewiesen. Vor wenigen Tagen konnten 77.000 Einwohner ab 16 Jahren darüber abstimmen, ob ein historisches Hallenbad abgerissen werden soll. 12.000 Tübinger haben via App mitgeredet. Was die Macher der Tübingen-App freut: Es waren vor allem jüngere Menschen, die sich auf diesem Weg eingebracht haben. „Das ist auch bei uns in Buxtehude wichtig und wünschenswert“, sagt Klemens Kowalski. Den Satz, den er schon häufiger gehört hat, wenn Bürger an einem Thema interessiert seien, sollen sie doch in die Sitzungen kommen, hält er für grundverkehrt: „Meistens kommt niemand“, sagt er nach jahrelanger Erfahrung in Rat und Ausschüssen.
Ob der Vorstoß in der Buxtehuder Politik eine Mehrheit findet? Selbst der Antragsteller hat leise Zweifel. Rückblick: Auch der Antrag, zumindest Ratssitzungen zu streamen, wurde abgelehnt. Wenn die anderen Fraktionen ablehnen, überlegt Klemens Kowalksi, selbst an einer App zu basteln, um zu zeigen, wie einfach Bürgerbeteiligung per Smartphone geht. So teuer wie in Tübingen, dorten wurden laut Kowalski rund 130.000 Euro investiert, müsse es nicht werden.