Landrat zieht Konsequenzen aus dem Müll-Debakel

Von Björn Vasel Buxtehuder/Stader Tageblatt

LANDKREIS. Landrat Michael Roesberg hat Lehren aus dem Ärger um den Millionen-Fehlbetrag beim Regiebetrieb Abfallwirtschaft gezogen. Bei der Kalkulation der Müllgebühren setzt er künftig auf externe Hilfe. Der Landkreis Stade werde in Zukunft „grundsätzlich“ eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft damit beauftragen, die Kalkulation der Abfallgebühren zu überprüfen. Das hat der Landrat am Montag bei der Sitzung des Finanz- und Personalausschusses – nach wiederholter Nachfrage aus der Politik – mitgeteilt. Außerdem wird laut Landrat geprüft, ob die Eigenversicherung zahlt. Einstimmig sprach sich der Finanzausschuss am Montagmorgen im Kreishaus dafür aus, unter anderem den Fehlbetrag aus dem Jahresabschluss 2018 der Abfallwirtschaft in Höhe von 2,9 Millionen Euro aus dem Kernhaushalt 2020 zu decken. Für die drohenden Fehlbeträge aus 2019 und 2020 soll eine Rückstellung in Höhe von rund 2,3 Millionen Euro gebildet werden. Gebührenzahler werden herangezogen Kurzum: Der Stader Kreistag muss im laufenden Haushaltsjahr außerplanmäßig 5,2 Millionen Euro aus den Mehrerträgen des Gesamthaushalts bewilligen. Der Erste Kreisrat Thorsten Heinze drückte es so aus: „Der Kernhaushalt springt Regiebetrieb zur Seite.“ Das hatte auch die Juristin Katrin Jänicke von der vom Landkreis beauftragten Kanzlei GGSC der Politik bereits im Ausschuss für Abfall und Kreislaufwirtschaft geraten – mit Verweis auf die rechtlichen Risiken. Das heißt: In die Abfallgebührenkalkulation für die Jahre 2021/2022 fließen lediglich 2,113 Euro aus der Unterdeckung ein. Die Gebührenzahler werden lediglich einen Teil der in den Vorjahren zu wenig gezahlten Abfallgebühren (nachträglich) über die Erhöhung ab dem Jahr 2021 tragen müssen. Im Grundsatz müssten diese eigentlich die Kosten der Abfallentsorgung zu 100 Prozent tragen. Der Landrat brachte es auf den Punkt. Für 2018, 2019 und 2020 habe der Gebührenzahler letztlich von den zu niedrigen Gebühren, profitiert. Politik fordert Aufklärung Landrat Roesberg merkte in der Sitzung erneut an, dass er selbst 2018/2019 die Aufklärung durch das Einschalten von GGSC vorangetrieben habe – nach Bekanntwerden des Defizits. Mit dem GGSC-Bericht liege alles auf dem Tisch. Das allerdings reicht der Politik nicht, insbesondere die beiden Kreistagsabgeordneten Stefan Schimkatis (SPD) und Benjamin Koch-Böhnke (Linke) ließen im Ausschuss nicht locker und wollten wissen, wer eigentlich dafür verantwortlich sei, dass sich Kosten der Entsorgung nicht (sofort) oder lediglich teilweise bei der Berechnung der Abfallgebühren niederschlugen, und welche Konsequenzen bereits verwaltungsintern gezogen werden. „Wir wollen Aufklärung, wir wollen kein Tribunal“, so Koch-Böhnke. Ähnlich hatte sich bereits der Vorsitzende des neuen Fachausschusses für Abfall und Kreislaufwirtschaft, der Kreistagsabgeordnete Kersten Schröder-Doms (SPD), in der vergangenen Woche geäußert. Landrat Roesberg stellte sich erneut vor seinen Mitarbeiter. Ein Schaden sei letztlich weder den Gebührenzahlern noch Firmen entstanden. Niemand habe sich bereichert, Rechnungen seien nicht liegen geblieben. Fehler würden passieren, dieser habe nicht vorsätzlich gehandelt. Anderenfalls hätte er die Staatsanwaltschaft – wie seinerzeit bei der Kfz-Zulassung – umgehend eingeschaltet. „Ich nehme das Thema sehr ernst“, so Roesberg, bagatellisiert werde nichts. Er sehe keinen Grund für arbeitsrechtliche Sanktionen. Der Mitarbeiter war offenbar letztlich allein für die Festsetzung der Abfallgebühren zuständig. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Kontrollinstanz Fehler sollen nunmehr vermieden werden. In der Zukunft wird grundsätzlich – wie bereits für den Kalkulationszeitraum 2021 und 2022 geschehen – laut Roesberg eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft die Abfallgebührenkalkulation des Regiebetriebes gegenchecken. Das gelte für die Höhe, aber auch beispielsweise für die Einbeziehung der aktuellen Rechtsprechung. Das werde – letztlich den Gebührenzahler – rund 50 000 Euro im Jahr kosten. Bei einem Abfalletat von mehr als 20 Millionen Euro seien diese Kosten allerdings vertretbar. Und auch verwaltungsintern werden nun mehr Mitarbeiter beteiligt. Außerdem sicherte der Landrat (neben mehr Kontrolle) der Politik am Montag mehr Transparenz zu. Kreisumlage-Senkung aktuell nicht mehrheitsfähig Die elf Bürgermeister haben Landrat Michael Roesberg und die Mehrheit der Finanzpolitik (vorerst) nicht auf ihre Seite ziehen können. Allerdings ist diese (noch) nicht vom Tisch. Im Frühjahr 2021 sollen Landkreis Stade und kreisangehörige Städte und Gemeinden über eine gerechte Lastenverteilung reden – im Zuge eines Nachtragshaushaltes. Auf diesen Kurs hat Roesberg die Politik eingeschworen. Dieser sieht keinen Spielraum, Investitionen in Straßen und Schulen dürften nicht gefährdet werden. Wie berichtet, hatten die Bürgermeister in einem Brandbrief gefordert, die Kreisumlage um einen Punkt auf 46,5 von Hundert zu senken. Das würde den Kreis 2,7 Millionen Euro kosten. Über diese Frage soll erst diskutiert werden, wenn im Frühjahr mit Blick auf die Corona-Krise feststeht, wie sich die Finanzlage der Kommunen gestaltet. Ohnehin, so Matthias Steffen (CDU), hätten Städte und Gemeinden noch Überschüsse in Höhe von 181 Millionen Euro gebunkert, für 2021 bestehe noch keine Not. Björn Protze (SPD), Richard Bodo Klaus (Piraten), Ursula Männich-Polenz (Grüne) und Benjamin Koch-Böhnke (Linke) unterstützten die Bürgermeister im Finanzausschuss – ohne Erfolg.