Kreistag gibt grünes Licht für den Ausbau der Rübker Straße

Karsten Wisser ( Buxtehuder / Stader Tageblatt )

BUXTEHUDE. Der Ausbau der Rübker Straße zum Autobahnzubringer für Buxtehude kann losgehen. Der Stader Kreistag hat nach einer langen und emotionalen Debatte Landrat Michael Roesberg und der Kreisverwaltung mit großer Mehrheit freie Hand gegeben. Eine Übersicht. Die Entscheidung: CDU, Teile der SPD, Freie Wählergemeinschaft, AfD und der parteilose Landrat stimmten dafür. Auf Grundlage der sofortigen Vollziehbarkeit des derzeit beklagten Planfeststellungsbeschlusses können Planungen, Grundstückskäufe, Enteignungen und Baumaßnahmen für den Autobahnzubringer zur fast fertigen Anschlussstelle Buxtehude-Mitte der Autobahn A 26 umgesetzt werden. Grüne, Linke und die AfD-Abspaltung Alternative für Stade (AfS) votierten dagegen. Die Alternativen: Ein Änderungsantrag der Gruppe FDP-Piraten, nur Planungen zuzulassen, wurde bei 16 Ja-Stimmen und 29 Gegenstimmen abgelehnt. Dieser Antrag bekam ebenfalls die Zustimmung der SPD. Ein Antrag der Linksfraktion, alle Maßnahmen sofort zu stoppen, bekam zehn Stimmen. Neben den Linken unterstützten AfS und Grüne diesen Antrag. Der Streit war entbrannt, nachdem das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg eine Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stade im Januar zuglassen hatte. Die Stader Richter hatten den Planfeststellungsbeschluss für nichtig erklärt, weil das „Schutzgut Mensch“ bei den Planungen nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Roesberg: Die ganze Stadt wartet auf die Maßnahme Der Streitpunkt: Die Kritik am jetzigen Vorgehen der Kreisverwaltung entzündete sich daran, dass sie nicht auf das Urteil der Lüneburger Richter wartet, bevor sie an der Kreisstraße K 40 Fakten schafft. Theoretisch verhindern können den Baustart zum Autobahnzubringer jetzt nur noch die vier Kläger gegen den Planfeststellungsbeschluss. Sie könnten in einem Eilverfahren vorläufigen Rechtsschutz beim OVG beantragen. Bisher haben sie dies aber abgelehnt, weil sie befürchten, dass eine schnelle Prüfung einen Nachteil für ihre Interessen und eine frühzeitige Festlegung des Gerichts bringt. Grundsätzlich gaben alle Fraktionen in der Debatte, außer den Grünen, ein klares Bekenntnis zu einer Buxtehuder Anschlussstelle. SPD, Linke und FDP favorisieren aber weiterhin eine kleine Ostumgehung. Das sagt der Landrat: „Die ganze Stadt wartet auf die Baumaßnahme – dem stehen vier Kläger gegenüber“, sagte Landrat Michael Roesberg. Ziel sei es nun, gegenüber den Anwohnern an der B 73 und in Dammhausen und gegenüber der ganzen Stadt das Versprechen einzulösen, durch die direkte Anbindung Buxtehudes zu einer Verkehrsentlastung und Verkehrslenkung zu kommen und im öffentlichen Interesse eine direkte Autobahnanbindung für die Hansestadt zu realisieren. Roesberg stellte klar, dass eine Trennung zwischen Planung und Bauausführung keinen Sinn mache, weil die Bauausführungsplanung bereits Teil der Bauausführung sei. Als erste Maßnahme bereitet die Kreisverwaltung die Ausschreibung der Planungsleistungen im Wert von 1,5 Millionen Euro vor. Die Verwaltung geht davon aus, dass das Verfahren in Lüneburg zwei bis drei Jahre dauert. Bis alle Vorarbeiten beendet sind und tatsächlich gebaut werden kann, dürften laut Verwaltung zwei Jahre vergehen. Kläger wollen „beobachten, wie es weitergeht“ Das sagen die Kläger: „Hinter den Klägern stehen die meisten Anwohner der Rübker Straße und der Nebenstraßen“, reagierte Ulrich Felgentreu, einer der Sprecher der Bürgerinitiative Rübker Straße, auf die Entscheidung. Ein fertiger Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz liege bereit, aber zum derzeitigen Zeitpunkt würden sich die Kläger nicht in ein Eilverfahren zwingen lassen. „Wir werden genau beobachten, wie es jetzt weitergeht“, so Felgentreu, der einer der beiden Kläger ist, die von der BI bei der Klage unterstützt werden. Die anderen beiden sind Besitzer von Mehrfamilienhäusern, die Gespräche über den Verkauf angeboten haben. Felgentreu, selbst als Zuhörer in der Sitzung anwesend, kritisierte die aus seiner Sicht nicht vorhandene Bürgernähe des Kreistags. Er ärgerte sich darüber, dass der Kreistagsvorsitzende Hermann Krusemark die Geschäftsordnung des Kreistags falsch interpretierte und seine Fragen zum Thema Rübker Straße in der Bürgerfragestunde verhinderte. Krusemark gab seinen Fehler später zu. Felgentreu, der für die Grünen im Rat der Hansestadt Buxtehude sitzt, will sich als Reaktion auf die Sitzung bei der Kommunalwahl im September für ein Kreistagsmandat bewerben. Das sagt die Politik: „Uns war allen klar, dass ein Gericht entscheiden wird, ob und wie eine Auf- und Abfahrt Buxtehude-Mitte gebaut wird“, sagte der CDU-Kreistagsvorsitzende Helmut Dammann-Tamke. Die Debatte sei teilweise scharf und starker Tobak für eine Kreistagssitzung. Er appellierte an den Kreistag, den vielen Possen um die Autobahn und um den Ausbau der Rübker Straße nicht eine weitere hinzuzufügen, indem der Bau- und Planungsstart verhindert werde. Das erste Mal sei über die A 26 in der Politik 1961 debattiert worden. Die Abteilung Attacke bediente der Linken-Fraktionsvorsitzende Benjamin Koch-Böhnke. Vor einem Abschluss des Gerichtsverfahrens mit dem Ausbau zu beginnen, sei „politisch skandalös und respektlos“, so der Buxtehuder Bürgermeisterkandidat: „Es ist die Berufung zugelassen und sonst nichts.“ Gemischte Stimmen aus der Politik Das Buxtehuder SPD-Urgestein Hans-Uwe Hansen schilderte die schwierige Situation seiner Fraktion. „Buxtehude braucht eine zentrale Abfahrt, die direkte Durchfahrt durch die Rübker Straße wurde aber immer kritisch gesehen“, so Hansen. Eine Mehrheit im Rat habe gehofft, dass der Ausbau der Rübker Straße vor Gericht scheitern würde und damit der Weg frei würde, die kleine Ostumgehung zu planen. Hansen: „Dass das OVG die Berufung zugelassen hat, heißt nicht, dass die Richter den Planfeststellungsbeschluss durchwinken werden.“ „Es gibt viele Buxtehuder, die diese Abfahrt wollen“, sagte die Buxtehuder CDU-Ratsfraktionsvorsitzende und Kreistagsabgeordnete Arnhild Biesenbach. „Wir müssen zu dem stehen, was wir beschlossen haben.“ Sie appellierte an die anderen Buxtehuder Kreistagsabgeordneten, sich zu ihrer Verantwortung zu bekennen. Der ehemalige Stader Stadtbaurat und SPD-Kreistagsabgeordnete Kersten Schröder-Doms sprach im Zusammenhang mit der verfehlten Buxtehuder Stadtplanung rund um die Rübker Straße von „Buxtehuder Verhältnissen“, die man in Stade immer habe vermeiden wollen. „Die Buxtehuder Politik hat 30, 40 Jahre geschlafen“, sagte der Buxtehuder Ratsherr und Kreistagsabgeordnete Michael Gehrken (Bündnis 90/Die Grünen). „Buxtehude hat eine Realisierung der Abfahrt fast unmöglich gemacht“, sagte der FWG-Fraktionsvorsitzende Uwe Arndt. Jeder habe gewusst, dass die Rübker Straße als Autobahnzubringer keine optimale Lösung sei, aber es gebe dazu keine Alternative. „Wir haben diese Alternative von Anfang an abgelehnt“, sagte Karin Aval von Bündnis 90/Die Grünen. Enteignungen seien bei einem noch nicht rechtssicheren Verfahren unverantwortlich. Der Kreistag habe eine Verantwortung gegenüber den Anwohnern und dem Kreishaushalt. „Buxtehude und Umland brauchen eine Abfahrt“, sagte Peter Rolker, Sprecher der Gruppe FDP-Piraten. Die Einwände der Skeptiker seien auf Grundlage der Zahlen aber gerechtfertigt. Rechte des Wachtelkönigs seien über denen der Anwohner eingeordnet worden. Aus seiner Sicht lag Landrat Michael Roesberg bei Einschätzungen zu Gerichtsentscheidungen schon mehrfach falsch. Der Aufnahme von Planungen habe die FDP zugestimmt, weil die Rübker Straße sanierungsbedürftig ist. Lars Seemann von der AfS erinnerte daran, dass die Prognosezahlen für die Rübker Straße und das nachgelagerte Straßennetz Buxtehude in einen Dauerstau stürzen würden. „Sie haben dort Chaos“, begründete Seemann seine Ablehnung des Ausbaus. Seefried: Politik hat viel Vertrauen verloren „Wir haben den Point of no Return schon überschritten“, begründete der AfD-Fraktionsvorsitzende Jens Dammann dem gegenüber das Votum seiner Fraktion für den Ausbau der Rübker Straße. In der Sitzung kam es auch zu einem Rededuell der beiden Kandidaten für die Nachfolge von Michael Roesberg. Der Landtagsabgeordnete und CDU-Landratskandidat Kai Seefried sagte, die Betroffenheit der Anwohner sei verständlich. „Die Politik hat viel Vertrauen verloren, weil wir seit Jahrzehnten über die Autobahn reden, aber nichts passiert.“ Dies sei eine Chance, Vertrauen in die Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen. Er befürchtet, dass Buxtehude und der Landkreis Stade in einigen Jahren wieder zum Gespött würden, wenn es dort eine fertige Anschlussstelle gebe und keine Zufahrt dafür. „Ich habe ein Riesenproblem damit, wenn wir Geld für Dinge ausgeben, die das Gericht hinterher einkassieren könnte“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende und Landratskandidat Björn Protze. Er kritisierte auch die Informationspolitik des Landrats. Er habe die Informationen aus dem TAGEBLATT und nicht von der Verwaltung bekommen. „Das ist ein Umgang mit der Politik, den wir uns nicht gefallen lassen können.“ Dass er und die meisten SPD-Abgeordneten am Ende mit dem Landrat stimmten, begründete Protze mit der zeitlichen Schiene. „Außer Planungen wird in den kommenden Monaten ohnehin nichts passieren, und wir wollen ein klares Signal für eine Buxtehuder Abfahrt setzen.“