Keine Winfried-Ziemann-Bibliothek für Buxtehude

Von Anping Richter Buxtehuder/Stader Tageblatt

BUXTEHUDE. Viele dürfte diese Entscheidung überraschen: Der Buxtehuder Kulturausschuss hat es mit großer Mehrheit abgelehnt, die Buxtehuder Stadtbibliothek nach Winfried Ziemann, dem Vater des renommierten Jugendliteraturpreises Buxtehuder Bulle, zu benennen. Den Antrag hatte die Linke gestellt. „Der Name Winfried Ziemann steht in Buxtehude wie kein anderer für die Liebe zum Buch, das Schaffen von Wissen und die Erkenntnis, dass ein gutes Buch die Kraft haben kann, ein ganzes Leben zu verändern“, hatte der Linken-Fraktionsvorsitzende Benjamin Koch-Böhnke in seiner Antragsbegründung gesagt. Ziemann habe sich für die Stadt in besonderer Weise verdient gemacht und mit dem von ihm gestifteten Preis dafür gesorgt, dass Buxtehude internationale Beachtung auf dem Gebiet der Jugendliteratur erfahren hat. Straßenname statt Bibliothek? Doch bei allen Verdiensten, denen sie ausdrücklich Anerkennung zollten: Die Benennung der Stadtbibliothek nach dem Vater des Buxtehuder Bullen fanden Susi Milewski (CDU), Elke Schneider-Höffelmann (SPD) Sylvia Köhnken (CDU) und Jochen Dammann (SPD) nicht den richtigen Weg, Winfried Ziemann zu ehren. Sie könnten sich aber eine Ehrung durch die Benennung einer Straße oder eine zusätzliche Ehrung im Rahmen der im Jahr 2021 bevorstehen 50-Jahr-Feier des Preises vorstellen. Hierzu merkte Stadtbibliotheksleiterin Ulrike Mensching an, dass Ziemanns Welt das Wort, die Literatur und das Theater waren. Wie die Ausschussvorsitzende Christel Lemm (SPD) berichtet, hat sie mit der Tochter von Winfried Ziemann gesprochen. Seitens der Familie könne man sich eine Benennung einer Straße sehr gut vorstellen. Nachdem die Umbenennung der Stadtbibliothek mit großer Mehrheit abgelehnt wurde, zeigte sich Benjamin Koch-Böhnke, der selbst als Jugendlicher begeisterter Kunde in Ziemanns Buchladen war, „bitter enttäuscht und fassungslos“. Er hätte es gerne gesehen, Ziemann, der so viel für die Stadt getan habe, in der „Herzkammer der Literatur“, der Stadtbibliothek, verewigt zu sehen, die den Buxtehuder Bullen heute vergibt. So läuft es in anderen Städten In vielen Städten ist es durchaus üblich, Bibliotheken nach verdienten Bürgern zu benennen. In einer 2015/2016 erschienenen Studienarbeit im Studiengang Bibliotheksmanagement an der Fachhochschule Potsdam ist das wissenschaftlich untersucht worden. Dabei wurden 88 nach Personen benannte Einrichtungen deutschlandweit näher betrachtet. Alle 88 hatten sich bei der Benennung „für eine herausragende Persönlichkeit entschieden, die sich durch ein außergewöhnliches, vorbildhaftes und gleichsam couragiertes Handeln auf gesellschaftlichem, kulturellem oder politischem Gebiet ausgezeichnet hat“. Das würde zu Ziemann und seinem Engagement gut passen: Der Buchhändler stiftete nicht nur für den Jugendliteraturpreis, sondern engagierte sich auch – übrigens für die FDP – in der Lokalpolitik und war langjähriger Förderer und großer Fan des BSV Damen-Handballs. Die Hälfte der untersuchten Bibliotheken, also 44, wurden nach Schriftstellern benannt – ein Beispiel: die Mark-Twain-Bezirkszentralbibliothek oder die Kurt-Tucholsky-Bibliothek in Berlin. Es waren allesamt öffentliche Bibliotheken. Die nächstgrößere Gruppe umfasste Gelehrte und Wissenschaftler, wie zum Beispiel Historiker, Philosophen und Sprachwissenschaftler, die vor allem Namensgeber wissenschaftlicher Bibliotheken wurden. Aber auch Schauspieler, Bibliothekare und Geschäftsleute sind Namensgeber von Bibliotheken. Kein Antrag im Rat „In ihrer sozialen Dimension vermag die Bibliothek schließlich als eine bedeutungsvolle identitätsstiftende Komponente im Mittelpunkt einer Gesellschaft ganz unterschiedliche Wertevorstellungen zu vermitteln oder eventuell gar subtil, wie etwa mit der Entscheidung für einen bestimmten Namenspatron, auf jene zu verweisen“, schreiben die Autorinnen Stefanie Kruse, Karina Böning und Kristina Mamontow. Die Linken-Ratsherren Benjamin Koch-Böhnke und Klemens Kowalski sehen das in diesem Fall als vollkommen zutreffend an. Die Stiftung eines Jugendliteraturpreises, der paritätisch mit jugendlichen und erwachsenen Juroren besetzt wurde, sei damals „im Hinblick auf die Partizipation Jugendlicher und einen niedrigschwelligen Zugang zu Literatur wegweisend“ gewesen, sagt Koch-Böhnke. Sie sind sich aber einig, den Antrag im Rat nicht vorbringen zu wollen: „Wir wollen keine politische Schlammschlacht, es ist unwürdig, Winfried Ziemanns Namen solchen Diskussionen auszusetzen.“