Insider-Einblick in Berlin und Afghanistan

Von Anping Richter / Stader & Buxtehuder Tageblatt

BUXTEHUDE. Von einem Rüstungslobbyisten zum Abendessen eingeladen zu werden – für Tobias Pflüger ist das nichts Besonderes. „In meinem Job passiert das öfter“, sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken.

Pflüger ist verteidigungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion und Mitglied des Verteidigungsausschusses, der nur hinter verschlossenen Türen tagt. Von 2004 bis 2009 war er Mitglied des Europäischen Parlaments – und bekam als frisch gewählter Abgeordneter in Brüssel seine erste Einladung zum Rüstungslobby-Dinner.

Er war derjenige, der für seine Fraktion rund um das Thema Rüstung die inhaltlichen Abstimmungsempfehlungen vorbereitete. „Mir wurde bei dem Abendessen angeboten, das für mich vorzubereiten“, berichtet er. Damals sei er über die Dreistigkeit noch erstaunt gewesen, heute wisse er, dass das oft passiere und Kollegen davon auch Gebrauch machen. Im Bundestag komme die Einladung in der Regel kurz vor der Haushaltsrunde.

Im Verteidigungsausschuss wird über brisante sicherheitspolitische Themen beraten. Er müsse sich genau überlegen, was er daraus erzähle, erklärt Pflüger. So habe die SPD vor der Anschaffung der Aufklärungsdrohne „Heron TP“ für die Bundeswehr eigentlich vorher diskutieren wollen, ob diese auch als bewaffnete Drohne genutzt werden kann. Das sei unterblieben. „Ich habe die Unterlagen gesehen und weiß, dass die Drohne so geplant ist, dass sie auch bewaffnet zum Einsatz kommen kann – aber ich darf nicht sagen, wie“, sagt er.

In seiner Rede bei der Friedenskundgebung am Vormittag hatte Pflüger die Entwicklung der Euro-Drohne kritisiert. Sie soll als Leuchtturmprojekt einer gemeinsamen europäischen Militärstrategie bis 2025 bei Airbus entwickelt werden. „Eigentlich darf der EU-Haushalt laut Artikel 41, Absatz 2, gar nicht für Militärausgaben genutzt werden“, sagt der Bundestagsabgeordnete. Es werde darum als Industrieförderung deklariert.

Pflüger hat mit dem Verteidigungsausschuss – unter anderem – auch Bundeswehrsoldaten in Afghanistan besucht. Gespräche mit ihnen und mit einer Truppenpsychologin hätten bestätigt, was er aus einer Studie schon wusste: „Viele Soldaten wissen nicht, was sie dort tun und wofür ihr Einsatz gut sein soll.“ Was als Ausbildungsmission bezeichnet werde, sei oft direktes Begleitkämpfen.

Eine EU-Armee, über die zurzeit viel gesprochen wird, hält Tobias Pflüger in der Umsetzung für unwahrscheinlich und ohnehin nicht für wünschenswert. Er ist für Abrüstung – ohne Wenn und Aber. Angst, schutzlos dazustehen, hätte er nicht: „Hätten wir keine Bundeswehr mehr, hätte ich kein anderes Unsicherheitsgefühl als jetzt auch.“ Konflikte müssten ausschließlich durch Verhandlungsführung gelöst werden. Statt eine Armee zu gründen, solle Europa lieber die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) stärken, denn: „Der europäische Gedanke ist eigentlich zivil, nicht militärisch.“