Buxtehude geht den Hamburger Weg & Hafencity ist Vorbild für Buxtehude

Giselbertstraße: Buxtehude geht den Hamburger Weg

Von Karsten Wisser (Buxtehuder/Stader Tageblatt)

BUXTEHUDE. Bei der Vergabe der Grundstücke im neuen Stadtquartier Giselbertstraße im Buxtehuder Osten geht die Verwaltung einen neuen Weg. Das Ziel ist es dabei, eine höchstmögliche städtebauliche und architektonische Qualität ebenso zu erreichen wie strukturelle und soziale Vielfalt. Die sogenannte Anhandgabe nutzte in der Region Hamburg zum Beispiel bei der Vergabe der Grundstücke in der Hafen-City. Die Baufelder in der Giselbertstraße gehören zu zwei Dritteln der Stadt, zu einem Drittel der Hausbau-Immobiliengesellschaft (HBI), die demnächst ihren Firmensitz von Nottensdorf nach Buxtehude verlegt. Die ersten Grundstücksausschreibungen für städtische Grundstücke an der Giselbertstraße sollen Anfang Februar erfolgen. In unmittelbarer Nähe des Buxtehuder Bahnhofs werden in den kommenden Jahren zwischen 400 und 450 Wohneinheiten vom Einfamilienhaus bis hin zum vier- oder fünfgeschossigen Mehrparteienhaus entstehen. So funktioniert das neue Verfahren: Bewerber melden sich mit einer städtebaulichen Konzeptidee sowie einem Nutzungs- und Wohnkonzept sowie der Bestätigung der Mindestanforderungen. Dazu gehört zum Beispiel, dass 25 Prozent der Wohnflächen preisgebunden für eine Startmiete von 7,50 Euro kalt angeboten werden müssen. Die Preisbindung gilt für 20 Jahre. Auswahlgremium sucht Bewerber aus Wer bis 30 Prozent preisgebundene Wohnflächen anbietet, bekommt bei der Vergabe Extrapunkte. Ein Auswahlgremium sucht dann drei bis fünf Bewerber aus, die dann ein fertiges Hochbaukonzept vorlegen und die Wirtschaftlichkeit nachweisen müssen. Anschließend wird über die Vergabe entschieden. Der Sieger bekommt mittels der sogenannten Anhandgabe das Grundstück, um das Projekt bis zur Baureife und der Erteilung der Baugenehmigung voranzutreiben. Erst im Anschluss daran findet der eigentliche Verkauf des Grundstücks statt. Für die ersten beiden Baufelder soll die Anhandgabe bis Juli abgeschlossen sein. Diese zwei Baufelder im vorderen Bereich hin zur Giselbertstraße werden in drei sogenannte Lose aufgeteilt, auf die sich mögliche Interessenten bewerben können. Die Grundstückspreise sind bisher noch nicht öffentlich, werden aber in der Grundstückausschreibung zu finden sein. Neben dem Anteil der preisgebundenen Wohnungen ist eine weitere Vorgabe, dass diese Wohnungen nicht auf einzelne Gebäude konzentriert werden dürfen. „Wir haben so die Möglichkeit, sehr lange auf das, was gebaut werden soll, Einfluss zu nehmen“, sagt der Erste Stadtrat Michael Nyveld. Die Politik signalisierte für diese Art der Vergabe im Ausschuss für Stadtentwicklung eine breite Zustimmung. Linke sorgt für Eklat Zu einem Eklat kam es in diesem Zusammenhang bei der Festlegung, für wen die Wohnungen in der Giselbertstraße angeboten werden. Das sind nicht die knapp 81 Prozent Normal- und Besserverdiener und auch nicht die Gruppe von Menschen, deren Wohnungen im Rahmen der Sozialgesetzgebung von der öffentlichen Hand bezahlt werden; durch hohe Sätze der Kosten der Unterkunft (KdU) bekommt diese Gruppe Wohnraum. Die Gruppe umfasst rund zwölf Prozent, die Sätze liegen in Buxtehude deutlich höher als in allen anderen Kommunen im Landkreis Stade und aktuell sogar höher als in Hamburg. Wer Hilfe brauche, das seien die sieben Prozent von Personen, die trotz Beschäftigung an der Armutsgrenze lebten, ohne Mindestsicherung oder Wohngeld zu bekommen, aber mit Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein, so Stadtplanerin Annette Mojik-Schneede. Inhaltlich hatte die Linksfraktion deutlich mehr preisgebundenen Wohnraum gefordert – bis zu 60 Prozent. Als Linken-Fraktionschef Benjamin Koch-Böhnke die von Stadtplanerin Annette Mojik-Schneede vorgestellten wohnungspolitischen Zielsetzungen als „großer Mist“ einordnete, platzte dem Ersten Stadtrat Michael Nyveld der Kragen und der Ausschuss-Vorsitzende Thomas Sudmeyer erteilte Koch-Böhnke einen Ordnungsruf. „Wenn Sie hier weiter ernst genommen werden wollen, sollten Sie auf solche polemischen Äußerungen verzichten“, sagte Nyveld. Auch SPD und CDU formulierten deutliche Kritik an Koch-Böhnke.

Hafencity ist Buxtehuder Vorbild bei Grundstücksverkauf

Axel Tiedemann Hamburger Abendblatt

Bei der Investorensuche für das neue Wohngebiet Giselbertstraße geht die Este-Stadt neue Wege.

Buxtehude. Erste Sielschächte, Bau-Straßen und Versorgungsleitungen sind hier bereits zu sehen: In der Nähe des S-Bahnhofs soll mit rund 450 Wohneinheiten das seit langem größte Neubaugebiet Buxtehudes gebaut werden, zum überwiegenden Teil mit den dort besonders benötigten Mehrfamilienhäusern. Etwa Zweidrittel der Grundstücke gehören der Stadt selbst. Und dafür startet in Kürze ein mehrstufiges Vergabeverfahren, das sich stark an der Praxis des Grundstücksverkaufs in der Hamburger HafenCity orientiert. Das Hamburger Stadtplanerbüro Luchterhandt hatte es für Buxtehude entwickelt und stellte es jetzt erstmalig im Stadtentwicklungsausschuss des Stadtrates vor. Nach der Ausschreibung im Januar erfolgt demnach im Mai eine erste Auswahl möglicher Investoren für den ersten Abschnitt. In einem zweiten Schritt wird es wie in der HafenCity üblich zunächst eine „Anhandgabe“ der ersten Grundstücke geben. Das bedeutet: Der Investor kann das Areal exklusiv konkreter planen, die Finanzierung sicherstellen und auch Nutzer suchen – ohne schon zu bezahlen. Die Stadt behält aber das Heft immer noch in der Hand, falls die zuvor vereinbarten Ziele nicht eingehalten werden. Erst im Anschluss kommt es dann zum Verkauf. Wohnungspolitische Ziele der Stadt sollen erreicht werden Mit diesem Verfahren soll sichergestellt werden, dass ganz spezielle wohnungspolitische Ziele der Stadt erreicht werden: Nicht der Meistbietende bekommt danach den Zuschlag, sondern das bessere Konzept. Im Buxtehuder Fall gibt es beispielsweise die Vorgabe, dass mindestens 25 Prozent der Mietwohnungen eine Startmiete von nur 7,50 Euro kalt pro Quadratmeter haben dürfen – was im Vergleich zu anderen Gebieten im Süderelbe-Raum tatsächlich sehr niedrig ist. „Wir haben uns dabei an den Schwächsten im Wohnungsmarkt orientiert“, sagte Annette Mojik-Schneede, die Fachgruppenleiterin Stadt- und Landschaftsplanung in der Buxtehude Verwaltung ist. So könnten sich rund 80 Prozent der Buxtehuder Haushalte als Normal- oder Besserverdiener gut im Wohnungsmarkt behaupten. Und auch für die Bezieher von staatlichen Leistungen wie Hartz IV (rund zwölf Prozent der Haushalte) sei es möglich, dort etwas zu finden, weil Mieten von mehr als neun Euro vom Staat übernommen werden. Doch für sieben Prozent der Haushalte ohne finanzielle Leistungen sei es besonders schwierig, so die Stadtplanerin. Und genau für diese Gruppe sei der Anteil der „preisgedämpften“ Wohnungen“ gedacht, die über alle Wohngebäude verteilt werden müssen, um eine „Durchmischung“ zu erreichen – auch dies eine Praxis, wie sie auch in Hamburg bei größeren Projekten gefordert wird. Wobei sich die Marke 7,50 Euro an dem sogenannten zweiten Förderweg von staatlich geförderten Wohnungen orientiert. Eine solche Förderung sei aber keine zwingende Vorgabe für Investoren. Vergabeverfahren stößt auf breite Zustimmung Bei den Ratsfraktionen stieß das Vergabeverfahren auf breite Zustimmung – nur von der Linken gab es heftige Kritik, die aber ebenso heftig erwidert wurde: „Wir finden das Konzept wunderbar, Buxtehude übernimmt damit eine Vorreiterrolle“, sagte etwa der Grünen-Ratsherr Michael Gerkens. Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionschefin Astrid Bade und sprach von einem „sehr durchdachten“ Konzept. CDU-Fraktionschefin Arnhild Biesenbach erinnerte dran, dass es aus ihrer Partei zwar anfangs Bedenken gegeben habe. „Aber wir haben uns überzeugen lassen und stehen voll und ganz dahinter, weil das Konzept maßgeschneidert für Buxtehude ist.“ Ganz anderes die Einschätzung von Linken-Fraktionschef Benjamin Koch-Böhnke. Er kritisierte, dass Normal und Besserverdiener einfach zu einer Gruppe zusammengepackt würden. Viele Haushalte seien vom Wohnungsmarkt aber ausgeschlossen, behauptet er und forderte eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft, die günstig bauen müsste. Gleichzeitig vermisse er im Konzept Forderungen für ein barrierefreies Wohnen und „höchste energetische Standards“ – was in der Regel das Bauen aber treuer machen dürfte. „Das ist keine Meisterleistung“, griff er die Buxtehuder Stadtplanerin scharf an – was ihm aber heftige Rüffel einbrachte. „Alles nur Palaver von Ihnen, nichts dahinter“, entgegnete Buxtehudes Stadtbaurat Michael Nyveld. Die SPD-Politikerin Astrid Bade warf Koch-Böhnke „selbstverliebtes Reden“ vor. Und AfD-Ratsherr Helmut Wiegers empfahl dem Kollegen von der Linken ironisch, sich dort selbst um Grundstücke zu bewerben: „Dann können Sie alles das, was Sie fordern, auch umsetzen.“